„Becker und Zverev – eine fantastische Kombi“

von Redaktion

DTB-Vize Dirk Hordorff über Corona-Stress, Wettbetrug im Tennis und respektlose Stars

München – Die Sportwelt blickt in diesen Tagen gespannt nach Australien. Werden es die Veranstalter schaffen, trotz Covid-19 einen „Happy-Slam“ mit Fans auf die Beine zu stellen? Einer, der in die Planungen der Australier von Anfang an eingeweiht war, ist Dirk Hordorff, 64, Vizepräsident des Deutschen Tennisbundes. Wegen Herzproblemen gehört er jedoch zur Corona-Risikogruppe und wird „nicht den Weg nach Melbourne antreten“, wie er unserer Zeitung verrät.

Außerdem bezieht der Ex-Coach von Rainer Schüttler im Interview Stellung zu Wettmanipulationen im Tennis, dem Trainerverschleiß von Alexander Zverev und einer Zusammenarbeit des besten deutschen Spielers mit Legende Boris Becker.

Herr Hordorff, mit den Australian Open steht das erste Grand-Slam-Turnier 2021 vor der Tür. Wie macht sich das Tennis aktuell zu Corona-Zeiten?

Dass Veranstalter in einer Situation, die einem dritten Weltkrieg ähnelt, Turniere auf die Beine stellen, finde ich bewundernswert. Ich war selber in unzähligen Telefonkonferenzen mit dem australischen Tennisverband. Seit Monaten arbeiten die Australier Tag und Nacht daran, dass die Australian Open stattfinden können. Eine sensationelle Leistung.

Den Amateuren geht es nicht so gut – besonders in Bayern. Für sie sind alle Tennishallen geschlossen. Anders als in anderen Bundesländern.

Das kann ich nicht verstehen und ist keine logische Entscheidung. 2020 haben in Deutschland während der Pandemie hunderttausende Spiele, Turniere, Mannschaftswettbewerbe stattgefunden. Mit dem Ergebnis: Es gab nicht einen Fall, in dem eine Infektion auf dem Tennisplatz verbreitet wurde. Tennis hat bewiesen, dass es kein Problem darstellt. Nur mancher Politiker hat das anscheinend noch nicht mitbekommen. Wir haben ein Schreiben vom Gesundheitsamt in Frankfurt, in dem bestätigt wird, dass Tennis keinerlei Infektionsgefahr darstellt.

Profis dürfen überall ran. Werden wir ein einigermaßen normales Turnierjahr erleben?

Der Start in die Saison ist schwierig. Ich habe jedoch die Hoffnung, dass es im Laufe der Monate besser wird. Das liegt am wärmeren Wetter ab April und daran, dass bis dahin hoffentlich die flächendeckende Impfung vorangeschritten ist. Ich sehe Licht am Ende des Tunnels.

In Australien häufen sich Beschwerden der Spieler.

Zuerst sollten sich die Spieler bewusst sein, was für Privilegien sie im Vergleich zum Rest der Bevölkerung genießen. Jetzt einfach mal nach Australien zu fliegen – wer kann das schon? Andere Menschen verlieren ihren Job. Wissen nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Da steht den Profis etwas Demut ausgesprochen gut zu Gesicht.

Spüren Sie diese Demut?

Durchaus. Die Spieler sind dankbar, spielen zu dürfen. Krisen schweißen zusammen. Ich habe das Gefühl, die Tennisszene rückt gerade enger aneinander.

Zuletzt gab es nicht nur positive Schlagzeilen. Beim Turnier in Halle kam der Verdacht von Wettbetrug auf.

Zunächst muss man festhalten, dass es sich bei dem Turnier in Halle um ein nicht genehmigtes Turnier handelt. Solche wilden Turniere ziehen diese Probleme schneller nach sich. „Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um“, hat meine Großmutter gesagt.

Hat das Tennis ein Wettproblem?

Auf unterer Ebene gibt es immer mal wieder Fälle. Jeden Monat wird ein Profi gesperrt, der um die 1000 in der Welt steht. Auf diesem Ranglistenniveau können die Spieler kaum überleben.

Haben Sie ein Beispiel?

Spielen sie ein Future-Turnier, erhält man in der ersten Runde 120 Euro Preisgeld. Davon müssen sie 50 Euro Meldegebühr zahlen. Bleiben 70 Euro, die noch der Steuer des jeweiligen Landes unterliegen. Davon sollen sie dann eine Woche wohnen, essen, leben – teilweise in überteuerten Ressorts. Das kann nicht funktionieren und ist ungesund. Diese Spieler sind natürlich anfällig, sobald ihnen das x-fache geboten wird, wenn sie freiwillig verlieren.

Was muss passieren?

Seit Jahren kämpfe ich für eine gerechtere Preisgeldverteilung. Die vier Grand-Slam-Turniere verdienen unglaublich viel Geld, geben es aber nicht nach unten weiter. Ein Unding. Ein Weiter-so darf es hier nicht geben.

Sind wirklich keine Top-Spieler betroffen?

Solche Spieler haben keine Motivation für Wettmanipulationen. Sie verdienen so viel, dass es sich für sie schlicht nicht lohnt. Das Risiko erwischt zu werden, ist zu groß.

Der gesperrte Ex-Profi Daniel Köllerer widerspricht Ihnen. Er hätte erlebt, dass auch Topstars von der Wettmafia rekrutiert werden.

Da hat er wahrscheinlich Recht. Damals Zu den Zeiten eines Daniel Köllerers. Da mag es das gegeben haben. Aber die juristische Lage hat sich verändert. Die Gesetzgeber haben Paragrafen geschaffen, die solches Verhalten verfolgen und bestrafen.

Vor wenigen Tagen hat die Trennung von Alexander Zverev und David Ferrer überrascht. Sie auch?

Ja, das war schon überraschend. Ich habe beide bei den French Open und den Turnieren in Köln live erlebt und hatte einen sehr harmonischen Eindruck. Wobei ich glaube, dass nicht irgendwelche atmosphärischen Störungen, sondern die Ausnahmesituation durch Corona den Ausschlag zur Trennung gegeben hat.

Das müssen Sie erklären.

Das Statement von David Ferrer klang doch so, als wolle er in diesen Zeiten lieber bei seiner Familie sein, als durch die Welt zu reisen und monatelang von Frau und Kindern getrennt zu sein. Ein Trainer und Ex-Weltklassespieler wie David Ferrer hat es zudem wirtschaftlich nicht nötig, solche Risiken auf sich zu nehmen. So kann ich mir die Trennung erklären. Es ist ja auch kein böses Wort gefallen.

Dennoch ist der Trainer-Verschleiß von Alexander Zverev, nicht von der Hand zu weisen.

Alexander ist natürlich ein spezieller Typ. Er gehört zu einer Generation, die respektloser gegenüber Autoritäten agiert. Das lasst sich nicht jeder Trainer gefallen.

Wie ein Ivan Lendl.

Zum Beispiel. Wobei es hier eher Probleme mit Vater Zverev gewesen sind. Es ist für einen Außenstehenden nicht leicht, in eine solch starke Familienbande einzudringen.

Also ist Alexander Zverev durchaus trainierbar?

Natürlich. Er braucht anscheinend jedoch die Geborgenheit der Familie. Mir hat man auch vorgeworfen, dass ich zu lange mit Rainer Schüttler zusammengearbeitet habe. Über 20 Jahre. Wir haben auch immer mal wieder neue Trainer hinzugezogen, aber auf ein Stammteam gesetzt. Anscheinend hat Alexander ähnliche Bedürfnisse.

Boris Becker ist auf dem Trainer-Markt…

…warum nicht? Boris Becker und Alexander Zverev halte ich für eine fantastische Kombination. Boris hat mich als Trainer und auch beim DTB vollkommen überzeugt. Boris als ehemaliger Champion hat alles, was Alexander braucht. Sie sprechen dieselbe Sprache. Boris kennt sich mit der deutschen Öffentlichkeit aus, kann hier Alexander bestimmt noch ein paar Tipps geben.

Sie klingen optimistisch.

Bin ich auch. Ich glaube, dass Boris und Alexander in Zukunft einmal zusammen arbeiten werden.

Interview: Daniel Müksch

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