Den klassische Trainer, wie man ihn in Deutschland versteht, gibt es in England kaum. Dort heißt diese Personalie „Teammanager“ – und in der Regel befasst sich dieser Angestellte nicht nur mit Hütchen aufstellen, Übungsformationen und der Startelf für den den nächsten Spieltag. Sondern er ist direkt in die Verhandlungen beziehungsweise Transfers seines Arbeitgebers eingebunden. Mehr Sakko als Trainingsanzug.
Größere Verantwortung bedeutet hierbei auch mehr Distanz. Wenige Trainer (Teammanager) gewähren einen Blick in ihr Seelenleben und plaudern locker in die Mikrofone und TV-Kameras. Dementsprechend begeistert war man auf der Insel vom ersten Tag an von Jürgen Klopp. „The Normal One“ zieht die Briten mit seinem Charisma in den Bann. Bis heute.
Ein Siegeszug in die Herzen der Fans ist von Thomas Tuchel beim FC Chelsea nicht zu erwarten. Der Ex-PSG-Trainer ist ein völlig anderer Typ. Ein Taktik-Tüftler, ein Zauderer – kein Menschenfänger. Diese Erfahrung haben die Bosse bei Borussia Dortmund bereits gemacht –besonders Hans-Joachim Watzke. In London muss die Art von Tuchel allerdings kein Nachteil sein, eben weil die Fußball-Fans es dort nicht anders gewohnt sind.
Sportlich wartet auf den 47-Jährigen jedoch eine tückische Bewährungsprobe, die die Weichen für seine berufliche Zukunft entscheidend stellen wird. Gelingt es ihm an der Seite der deutschen Nationalspieler Timo Werner und Kai Havertz die Blues wieder an die Spitze der Premier League und in Europa zu führen, wird er sich in der Ebene der europäischen Toptrainer festsetzen. Scheitert es allerdings an der Stamford Bridge, wird auch sein Werk bei Paris St-Germain negativer bewertet werden. Ist das Starensemble um Neymar dann womöglich nicht dank Tuchel sondern trotz Tuchel ins Champions-League-Finale vorgestoßen? Und ist die Meisterschaft in der französischen Liga mit so einem Kader nicht eine Selbstverständlichkeit? In Dortmund weiß man heute noch nicht so ganz, was man von der Ära Tuchel halten soll.
Schafft er es nicht, die Ansprüche von Club-Eigner Roman Abramowitsch zu befriedigen, spielt er nicht mehr in der Liga von Real Madrid, PSG oder dem FC Chelsea, sondern von Bayer Leverkusen, dem VfL Wolfsburg oder Borussia Mönchengladbach. Spannende Arbeitgeber. Aber nicht die Preisklasse eines Jürgen Klopp.
Daniel.Mueksch@ovb.net