Noch lange kein Kini

von Redaktion

Anders als Ribery braucht Sané bei Bayern Zeit – er muss jede Minute nutzen

VON HANNA RAIF

München – 25 Millionen Euro. Heute wären das Kinkerlitzchen, damals war es: eine Sensation. Aber Franck Ribery, diesen von Topclubs umgarnten Star der Marke „Straßenkicker“, wollte der FC Bayern halt unbedingt haben. Verein, Stadt und Werbepartner waren nach dem Vollzug des Transfers so stolz, dass gleich mit einigen Tabus gebrochen wurde. Ein überdimensionales Plakat an der Theatinerkirche wurde aufgehängt, noch dazu eine Parodie auf den „Kini“. Die Inschrift unter dem Bild, das Ribery im an König Ludwig II. angelehnten Hermelinmantel zeigte, war ein Hingucker: „Bayern hat wieder einen König“, konnten die Münchner Passanten da lesen.

Lang ist’s her, 2007 war das, und zwar just in jenen Tagen, in denen Ribery seine ersten fußballerischen Fußspuren an der Säbener Straße hinterließ. Mit Druck auf den eigenen Schultern kennt der Franzose sich also aus, seitdem er damals, beim 5:4 nach Elfmeterschießen gegen Wacker Burghausen, sein Debüt für die Bayern gab. Vielleicht sollte man den Worten des heute 37-Jährigen daher mehr Gehör schenken als jenen anderer Experten, wenn es um seinen Nachfolger auf dem Flügel des Triple-Siegers geht. Ribery sagt über Sané: „Ich glaube an Leroy, weil er noch jung ist, Qualität und Talent hat.“

Geäußert hat er diese Worte vergangene Woche in der „Sport Bild“, also noch vor dem 4:0 des Triple-Siegers am Sonntag auf Schalke, bei dem Sané erneut nicht wirklich überzeugte. Als der 25-Jährige in der 64. Minute ausgewechselt wurde, flogen die Handschuhe, mal wieder. Sané hatte kein auffällig schlechtes Spiel gemacht, aber eben auch kein gutes, und da liegt das Problem. Als er in Richtung Kabine abdampfte, konnte er schon ahnen, dass die Frage nach seinem bis dato nicht erfolgten Durchbruch wieder kommen würde. Hansi Flick entgegnete später: „Man kann nicht von ihm erwarten, dass er jetzt jedes Spiel auf Top-Niveau spielt.“ Und der Trainer fügte an: „Wenn er heute unzufrieden ist, dann ist das seine Entscheidung.“

Freilich weiß auch Flick, dass der Fall Sané keiner ist, der sich von selbst lösen wird. Einzelgespräche sind in den kommenden beiden nicht-englischen Wochen sowieso geplant, die Themen bei Sané liegen auf der Hand: Was muss passieren, damit dieser Hochtalentierte das „Bayern-Gen“ (Karl-Heinz Rummenigge) verinnerlicht? Dass er sich der Flick-Taktik anpasst? Dass er vor dem Tor zeigt, was er eigentlich kann? Salopp gesagt: dass er die knapp 50 Millionen Euro, die vor der Saison an Manchester City überwiesen wurden, rechtfertigt? Noch ist das ein kleiner Weg, dessen ist sich sowohl er selbst als auch sein Trainer und die Herren in der Chefetage in der Halbjahres-Bilanz bewusst. Und die Gründe dafür sind vielfältig.

„Es ist nicht leicht, von so einer schweren Verletzung zurückzukommen“, sagt Ribery mit Blick auf Sanés 2019 erlittenen Kreuzbandriss. Das Vertrauen ins Knie ist längst zurück, die Abläufe aber müssen automatisiert werden. Dazu war und ist es natürlich wenig förderlich, dass Sané – bei City an Ballbesitzfußball gewöhnt – ausgerechnet zu einer Zeit in die Startelf strebt, in der Bayerns Offensive mehr defensiv gefordert ist. Noch dazu in ein Team, das ohne ihn schon alles erreicht hat. Er ist derzeit nicht als Gestalter gefragt. Sondern kämpft als Neuer, der eine Rolle finden muss, von der man nicht mal sicher ist, ob es sie aktuell überhaupt gibt.

22 Einsätze, sieben Tore, fünf Vorlagen: Es gibt schlechtere Bilanzen. Die blanken Zahlen aber werden überstrahlt von sechs Auswechslungen – und der Höchststrafe vor Weihnachten in Leverkusen. Sané war es an diesem Tag, an dem er spät kam und früh wieder raus musste, wichtig, dass seine Kollegen ihn verteidigen. Und selbst Ribery sagt als inzwischen weiserer Mann mit Abstand: „Auch in 20 Minuten kann man noch den Unterschied machen.“

Anders wird es für Sané auch weiter nicht gehen. „Kini“ wird er nicht so einfach wie einst sein Vorgänger.

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