Die massiven Vorwürfe gegen Anders Besseberg, langjähriger Präsident des Biathlon-Weltverbandes, sind bereits seit drei Jahren bekannt. Insofern stellt das Ergebnis einer Prüfungskommission keine große Überraschung dar. Und dennoch: Die nun quasi offiziell bestätigte Dreistigkeit, mit der der Norweger sein Amt missbrauchte, lässt einen immer noch erschaudern.
Zur Erinnerung: Der inzwischen 74-jährige Norweger präsentierte sich jahrzehntelang als geharnischter Anti-Doping-Kämpfer. Bei jeder Gelegenheit beschwor er die Redlichkeit der von ihm so gern zitierten „Biathlon-Familie“.
Doch ausgerechnet das Oberhaupt der Biathlon-Familie, der scheinbar so tugendhafte Streiter für die gute Sache, war in Wahrheit genau das Gegenteil: ein Feind des Sports, ein unverschämter Heuchler, der sich – vorzugsweise von russischer Seite – bestechen ließ und als Gegenleistung Dopingfälle vertuschte. Ein ähnlicher Fall also wie der Leichtathletik-Weltverbandspräsident Lamine Diack, der von Doping-Sündern Schweigegeld erpresste und dafür zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.
Nun verwundert es auch nicht mehr groß, dass Besseberg jahrelang nichts unternahm, als der russische IBU-Vizepräsident Wiktor Tichonow dringend verdächtigt wurde, einen Mordanschlag auf einen russischen Gouverneur angestiftet zu haben (und später deswegen auch zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde). Nahe liegt der Verdacht, dass auch Bessebergs Nachsicht mit seinen für ihn so einträglichen engen Verbindungen zum russischen Biathlonsport zu tun haben könnte …
Den Biathlonsport wegen Bessebergs Verfehlungen nun unter Generalverdacht zu stellen, wäre sicher überzogen. Aber klar ist auch, dass die Welt dieser gerade in Deutschland so beliebten Sparte sicher nicht so heil ist, wie man stets glaubte. So wie das inzwischen auch für andere Bereiche des Sports gilt. Funktionäre à la Besseberg sind längst nicht mehr die ganz große Ausnahme. Sondern fast schon ein Symptom für eine bedrohliche Krankheit, von der der Sport seit geraumer Zeit heimgesucht wird. ARMIN GIBIS