Von Undercuts bis Tattoos

Differenzieren lohnt sich

von Redaktion

HANNA RAIF

In der Corona-Krisen werden hier und da unverhoffte Talente entdeckt – im Fall von Jessica Kroos sind es die Haare. „Tiptop“ lautet das Urteil ihres Mannes Toni, wenn die Göttergattin zur Schere greift. Es geht ihm da wie vielen anderen: Wenn die Corona-Pracht nervt, muss man sich selbst helfen. Profi-Fußballer wie Normalsterbliche.

Die Frisuren der Kicker waren vor allem hierzulande ja bereits ein wochenbeherrschendes Thema. Der Friseurverband schlug wegen akkurater Scheitel und bestens liegender Undercuts Alarm, die Branche fühlt sich zu Unrecht über einen Kamm geschert. Sind alle unartig, weil ein paar wenige sich nicht an die Regeln halten? Zumindest sollte man differenzieren – auch an diesem Wochenende und konkret: mit Blick auf den FC Bayern.

Dem ob der eigenen Situation genervten Beobachter reicht es ja inzwischen schon, wenn Joshua Kimmich oder Jerome Boateng – wie beim 4:1 gegen Hoffenheim – mit frisch gestutzer Frisur auflaufen. Das ist freilich überzogen und unangebracht. Und trotzdem gibt es gute Gründe dafür, dass jeder Eingriff mit dem hauseigenen Langhaarschneider das Potenzial hat, für nachhaltige Entrüstung zu sorgen. Sie tragen allein aus den letzten Monaten Namen wie Salomon Kalou, Breel Embolo, Matheus Cunha und nun Corentin Tolisso. Jeder für sich hat der Branche einen Bärendienst erwiesen.

Wenn der Fußball als Brennglas der Gesellschaft gilt, ist es nur logisch, dass es Regelbrecher gibt. Und trotzdem kann man angesichts der sich häufenden Vorfälle allein im deutschen Oberhaus nur den Corona-Kopf schütteln. Sich ein Tattoo stechen zu lassen – also komplett egoistisch zu agieren –, ist in Zeiten wie diesen einfach nur dumm. Es dann auch noch öffentlich kundzutun: weltfremd. Die Geldstrafe wird dem Franzosen nicht allzu weh tun. Trotzdem aber war sie wichtig und richtig.

Sie zeigt, dass wenigstens den Bossen der Liga bewusst ist, dass der Spielbetrieb nach wie vor auf Bewährung läuft, sie privilegiert sind. Jeder Verstoß kann einer zu viel sein. Dann würden auch jene Profis bestraft, die in der deutlichen Mehrheit sind: Strenge Regelhüter – die entweder wachsen oder aber ihre Frauen ran lassen.

Hanna.Raif@ovb.net

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