Königssee – Felix Loch stolperte kurz vor der Rückkehr auf den Thron, auch Natalie Geisenberger verpasste ihre Krönung – doch seit Sonntagmittag um 12.32 Uhr hat Deutschland eine neue Rodel-Königin: Julia Taubitz vergrub das Gesicht in den Händen und verharrte auf ihrem Schlitten, dann verließ sie die Eisbahn am Königssee mit einem breiten Grinsen als Weltmeisterin.
„Das hört sich wundervoll an“, sagte Taubitz lachend über diesen Titel, den sie nun zum ersten Mal trägt, „damit hatte ich nicht gerechnet, auf dieser Bahn kann immer so viel passieren.“
Die 24-Jährige schaffte damit, was Deutschlands langjährigen Rodel-Größen nicht gelang. Felix Loch hatte am Samstag zum Ende einer fast makellosen Saison ausgerechnet bei der Heim-WM die erste Niederlage kassiert und musste sich mit Silber begnügen. Das Gleiche galt am Sonntag für Natalie Geisenberger, die als Zweite ganz deutlich hinter Taubitz lag: Mehr als drei Zehntelsekunden trennten sie von ihrer einstigen Kronprinzessin. Dahinter sorgten Dajana Eitberger und Anna Berreiter für einen deutschen Vierfachsieg.
Taubitz verwehrte der früheren Dauersiegerin damit eine große Comeback-Story. Geisenberger war erst zu Saisonbeginn aus ihrer Babypause zurückgekehrt und hatte durchaus auf ihren fünften Titel hoffen dürfen, der sie zur Rekord-Weltmeisterin gemacht hätte. „Gut, sehr gut“ fühle sich aber auch WM-Silber an: „Ich bin sehr stolz auf das, was ich diese Saison erreicht habe.“
Taubitz schrieb indes ihre eigene Geschichte fort, und auch die könnte eine große werden. 2015 debütierte sie mit nur 19 Jahren im Weltcup, in den vergangenen beiden Wintern gewann sie bereits WM-Silber und 2020 zudem den Gesamtweltcup – am Sonntag war nun der vorläufige Höhepunkt erreicht.
Und auch die Dominanz der deutschem Frauen setzt sich fort, bei den vergangenen 30 Weltmeisterschaften war die Siegerin nur viermal keine Deutsche. Dieser Trend schien in den vergangenen Jahren in Gefahr, da sich Geisenbergers Karriere irgendwann dem Ende neigen wird. Doch Taubitz wächst immer besser in die Rolle hinein, der WM-Sieg war nun ein wichtiges Signal mit Blick auf Olympia 2022 und 2026. Eingeleitet wurde der große Triumph zudem durch einen kleinen: Schon am Freitag hatte Taubitz Gold im Sprint-Wettbewerb gewonnen.
Und mit einem Mal scheint der ganze deutsche Rodelsport wieder deutlich besser aufgestellt, davon war noch im vergangenen Winter nicht unbedingt auszugehen. Felix Loch, der einstige Dominator bei den Männern, war tief gefallen. Doch in diesem Winter folgte die kaum erwartete Auferstehung.
Acht Siege in acht Weltcups waren ein Rekord, erst bei der Heim-WM war nun jemand stärker: Der Russe Roman Repilow wurde überraschend Weltmeister, Loch fiel allerdings weich. Die Silbermedaille war offensichtlich ein Trost. „Er war heute einfach besser“, sagte Loch: „Und ich bin glücklich mit dem zweiten Platz.“
Gestärkt durch die Siege der vergangenen Monate zerstreut er mittlerweile übrigens Zweifel an der Fortsetzung seiner Karriere, die er selbst eine Zeit lang genährt hatte. Der 31-Jährige will, wenn möglich, gar bis Olympia 2026 weitermachen – auch, weil das deutsche Material wieder konkurrenzfähig ist. In den vergangenen Jahren hatten Russland und Österreich schnellere Schlitten gebaut, heuer haben die Deutschen nicht nur auf-, sondern überholt. Das half allerdings auch in der abschließenden Teamstaffel wenig. Deutschland holte: Silber. sid