Rocas Wendepunkt

von Redaktion

Der Spanier rechtfertigt Flicks Vertrauen – und könnte bei Club-WM wichtig sein

VON HANNA RAIF

München – Das Transferfenster, das vor einem Jahr schloss, hat der FC Bayern zumindest etwas genutzt. Alvaro Odriozola heißt der Mann, der Ende Januar kam und Ende August wieder ging. Zwischendrin hatte er auf dem Platz als Statist das Triple gewonnen, während er daneben als Symbolfigur eines Politikums fungierte. Die Fragen, die ein gutes halbes Jahr mitschwangen, lauteten: Ist die Qualität eines Kaders ausschlaggebend für Erfolg? Oder geht es doch auch um die Quantität?

Die Ansichten dazu sind intern nicht immer dieselben, daran hat sich auch nichts geändert, seitdem Odriozola wieder in Madrid ist und der FC Bayern ohne ihn funktioniert. In der laufenden Saison wird die Dauer-Debatte von anderen Spielern gestützt, jenen, die die Namen Douglas Costa, Eric Maxim Choupo-Moting, Bouna Sarr und Marc Roca tragen. Sie alle wurden im Sommer verpflichtet, sie sollten die Abgänge aus dem Triple-Kader 1:1 ersetzen. Positionstechnisch können sie das, fußballerisch aber – das haben die letzten vier Monate gezeigt – nicht. Zumindest bisher. Der Auftritt von Roca beim 4:1 gegen Hoffenheim macht nun etwas Mut, dass sich das ändern könnte.

„Erstmal war es wichtig, dass er überhaupt gespielt hat“, sagte Hansi Flick nach der Partie – und sprach damit gleich das Grundproblem an, das die Neuzugänge im Kader begleitet. Der Trainer ist auch in dieser Mammut-Saison zum Erfolg verdammt, zu viele Experimente konnte er sich selten – und nach der Mini-Krise zu Jahresbeginn gar nicht mehr – erlauben. Am Samstag aber, als sich neben dem angeschlagenen (und frisch tätowierten) Corentin Tolisso auch die Corona-Positiven Leon Goretzka und Javi Martinez abmeldeten, war Roca neben Joshua Kimmich gesetzt und machte ein gutes Spiel. Der Spanier forderte viele Bälle, bekam auch einige, verwertete sie, zeigte Übersicht, sorgte für Stabilität. Auf der Haupttribüne schaute man vergnügt dabei zu, wie dieser junge Mann, den man gerne mit Martinez vergleicht, minütlich an Sicherheit gewann. Dass Kimmich zunehmend offensiver agierte, lag auch daran, dass er seinem Nebenmann immer mehr vertraute. Aber auch Roca, sagte Flick, habe „gezeigt, dass er in Ballbesitz gefährlich sein kann“. Der Auftritt sei „ein gutes Zeichen für ihn“ gewesen. Als der 24-Jährige ausgewechselt wurde, klatschte Flick Beifall.

Womöglich wird man diesen Tag im Dauerregen im Rückblick mal als Knackpunkt betrachten, die Möglichkeit, nachzulegen, dürfte Roca zumindest schon bald bekommen. Es gilt, „weiter dran zu bleiben, sich weiter zu verbessern“, sagte Flick, wohl wissend, dass – weil Goretzka bei der Club-WM wohl fehlen wird, Tolisso angeschlagen ist und Martinez möglicherweise Corona-Nachwehen haben könnte – Roca am Freitag in Berlin und dann in Doha wichtig wird. Drei Trainingseinheiten stehen diese Woche an, dann geht es Schlag auf Schlag.

Lob gab es auch von höherer Stelle. „Man hat gesehen, welche Qualität er haben kann“, sagte Oliver Kahn am Sonntag bei „Sky 90“. Der Vorstand hatte bei dieser Aussage gleich zwei gute Gedanken im Kopf: Den Spieler, der ihm „gut gefallen hat“ und „den Rhythmus bestimmen kann“, zu stärken. Und öffentlichkeitswirksam dafür zu werben, neuen Profis die nötige Zeit zu geben. Ein Urteil nach „drei oder vier Spielen“ ist dem 51-Jährigen zu früh: „Man muss den Spielern auch die Chance geben. Sie werden nur besser, wenn sie Einsatzzeiten bekommen.“ Liebe Grüße an Flick – und der baldige Bayern-Boss legte sogar noch nach: „Es ist wichtig, dass wir einen breiten Kader haben. Zum Schluss der Saison wird der Trainer jeden brauchen.“

Das sagte man auch mal über Odriozola. Allerdings nur offiziell. Von Roca ist man da doch überzeugter.

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