Trennung auf Zeit

von Redaktion

Die Leihen von Zirkzee und Richards zeigen, wie schwer es für Talente ist, beim FC Bayern Fuß zu fassen

VON JOSÉ CARLOS MENZEL LÓPEZ

München – Selbst Philipp Lahm hat es beim FC Bayern nicht auf Anhieb geschafft. Für den Weltmeisterkapitän von 2014 ging es nach seiner ersten Saison im Profikader der Münchner im Sommer 2003 als Leihgabe nach Stuttgart, ehe der Rekordmeister ihn 2005 zurückholte und der damals 21-Jährige seinen Weg bei den Bayern gehen konnte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eigengewächse hatten und haben es bei den Münchnern nach wie vor schwer, in einem mit Stars gespickten Kader sogleich Fuß zu fassen.

Die jüngsten Beispiele dafür sind Joshua Zirkzee (19) und Chris Richards (20). Der Niederländer darf sich nun bei Parma in der italienischen Serie A versuchen, der US-Amerikaner bei Hoffenheim – beide in Form einer Leihe, die im Falle Zirkzees mit einer Kaufoption in Höhe von 15 Millionen Euro versehen ist. So bestätigte es Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gestern bei Sky Sport News HD. Es gehe dem FC Bayern darum, dass die beiden mehr Spielpraxis erhielten, betonte er.

Dabei handelt es sich um Abgänge, die in dieser Form nicht neu sind bei Bayern, gleichwohl aber gewisse Fragen aufwerfen. Gerade zu Beginn der Ära Hansi Flick drängte sich der Eindruck auf, dass die Großinvestition der Bayern in ihren Jugendcampus langsam, aber sicher Früchte trägt. Beim Blick auf Rohdiamante wie Jamal Musiala (17), Bright Arrey-Mbi (17), Richards & Co. wurde bereits von den neuen Müllers oder Alabas gesprochen. Flick verstand es, sie in die erste Mannschaft zu integrieren, ihnen Einsatzzeiten an der Seite der Stars zu geben.

Der Fall Zirkzee, der vergangene Saison immerhin vier Tore in neun Bundesligapartien erzielte und in der aktuellen Spielzeit bei nur vier Ligaeinsätzen wieder außen vor ist, zeigt, dass Flick seinen Jugendstil nicht mehr ganz so intensiv lebt wie in der Vorsaison. Das hat Gründe. Die wenigen Vakanzen im Kader der Münchner wurden im Sommer – auch und vor allem auf Wunsch des Cheftrainers – mit erfahrenen Edelreservisten wie Eric Maxim Choupo-Moting, Douglas Costa oder Bouna Sarr gefüllt. Die logische Konsequenz: Flick bringt für Robert Lewandowski eben nicht mehr Zirkzee, sondern Choupo-Moting (13 Saisoneinsätze bislang). Auch für Verteidiger Richards ist nach der Sarr-Verpflichtung hinten so gut wie kein Platz mehr.

Angelo Stiller (19), ein weiteres Juwel aus der FCB-Schmiede, hat sich mit der mangelnden Perspektive gar nicht erst abgefunden. Als er bemerkte, dass der FCB auf seiner Position Portugal-Talent Tiago Dantas (20) verpflichtete, entschied er sich dazu, seinen Vertrag an der Säbener Straße nicht zu verlängern. Der U-20-Nationalspieler probiert sein Glück ab Sommer nun in Hoffenheim.

Vergrault der FC Bayern seine Nachwuchstalente? Karl-Heinz Rummenigge meinte zur Zirkzee-Leihe: „Es war sein Wunsch. Er war bei uns in diesem Jahr nicht zufrieden. Er hat so etwa keinen Einsatz gehabt. Das war im letzten Jahr anders, als er mit seinen Toren einen wichtigen Beitrag geleistet hat, sodass wir mit einem klaren Vorsprung Deutscher Meister geworden sind.“ Fest steht nur, dass Richards im Sommer zurückkommen soll. Man sei „überzeugt, dass er die Chance hat, mittelfristig im Kader Platz zu finden“. So wie Lahm damals.

Artikel 1 von 11