Die Bayern und Katar

Ein Spiel mit der Glaubwürdigkeit

von Redaktion

NICO-MARIUS SCHMITZ

Es gibt Wettbewerbe mit der sportlichen Relevanz einer Runde Sackhüpfen beim Kindergeburtstag. In diese Kategorie kann man – aus Sicht des Autors – die FIFA-Club-WM einordnen. Eine Veranstaltung, die sich der Weltverband in erster Linie ausgedacht hat, um die Kasse weiter klingeln zu lassen. Trotz der anhaltenden Kritik an umherreisenden Fußball-Millionären während einer globalen Pandemie und dem jetzt schon ächzenden Terminkalender findet die Club-WM auch 2021 statt. Vom 4. bis 11. Februar, Austragungsort: Katar. Beim Aufeinandertreffen der kontinentalen Champions-League-Sieger ist freilich auch der FC Bayern dabei. Und kann auf namhafte Gegner wie Al Ahly SC (Ägypten) oder auch UANL Tigres (Mexiko) treffen.

Doch aus dem Lager der Münchner gab es keinerlei kritische Töne darüber, dass man einen sportlich sinnlosen Wettbewerb in den überfüllten Spielplan quetscht. Im Gegenteil. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bedankte sich bei „der FIFA und ihrem Präsidenten, dass es auch in Zeiten von Corona möglich ist, um diesen Titel zu spielen“. Dass den Bayern im Februar mit sechs Spielen in 17 Tagen eine extreme Belastung blüht, scheint plötzlich kein Problem mehr zu sein. Und die unnötigen Reisekilometer nach Katar und zurück? Geschenkt. Auch wenn der Wüstenstaat mit grünen Scheinen winkt, darf man sich in der Sportwelt (es betrifft keinesfalls nur die Bayern) nicht vor der eigenen Verantwortung wegducken. Aber der Deal mit der Fluggesellschaft Qatar Airways als Ärmelsponsor bringt den Münchnern zig Millionen ein. Zudem fliegt der FC Bayern regelmäßig zum Trainingslager nach Doha und wirbt jedes Mal für einen Staat, der tagtäglich wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht.

„Seit Bayern München Partner von Katar ist, hat es nachweislich eine Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeiterrechte zum Positiven gegeben“, sagte Rummenigge letztes Jahr auf der Jahreshauptversammlung. Von Tausenden von Arbeitnehmern, die „weiterhin schwerwiegenden Verstößen gegen das Arbeitsrecht ausgesetzt sind“, sprach Amnesty International in einem Bericht Ende November.

Eins ist jedoch klar: Der unbequeme Schuh der moralischen Verantwortung darf nicht nur den Bayern angezogen werden. Auch andere Vereine – Gladbach hat ein Büro in China – kooperieren mit Ländern, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Mit der WM findet 2022 der wichtigste Termin im Fußball-Kalender ebenfalls in Katar statt. Der deutsche Rekordmeister könnte – auch aufgrund der zweifelsfrei bemerkenswerten Erinnerungskultur des Vereins – aber ein Zeichen ungeheurer Strahlkraft setzen, wenn er auf die Trainingslager in Doha verzichtet, solange Gastarbeiter dort ausgebeutet werden.

Erst vor wenigen Tagen leuchtete die Allianz Arena anlässlich des „Erinnerungstags im deutschen Fußball“ in Regenbogenfarben. Ein schönes Zeichen für mehr Toleranz. Wenn man gleichzeitig auf den eigenen Trikots die Werbetrommel für ein Land rührt, in dem Homosexualität nicht nur nicht geduldet, sondern sogar bestraft wird, ist es ein Spiel mit der Glaubwürdigkeit.

nico.schmitz@ovb.net

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