München/Doha – Die Wut über das Anreise-Chaos war zumindest bei Hansi Flick verraucht, als der Bayern-Trainer am Sonntagvormittag europäischer Zeit die Katakomben des Ahmad Bin Ali Stadions erreichte, um über das anstehende Halbfinale bei der Club-WM gegen Al Ahly (19 Uhr, DAZN) zu sprechen.
„Es ist nicht die beste Vorbereitung, ohne Frage. Letztendlich ist aber entscheidend: Wir sind sicher angekommen und werden keine Ausreden zulassen. Die Anreise gestern ist Vergangenheit, wir waren rechtzeitig bereit. Schön war es nicht, aber wir blicken nach vorne“, sagte Flick in gewohnt ruhigem Ton.
Dabei hätte er allen Grund gehabt, ordentlich Dampf abzulassen. Was war passiert? Nachdem die Münchner am Freitag das auf 20 Uhr vorverlegte Auswärtsspiel bei Hertha BSC mit 1:0 (1:0) gewonnen hatten, ging es in Windeseile an den Flughafen BER, um noch in der Nacht in Richtung Katar abzuheben. Der Abflug war laut interner Reiseplanung um 23.29 Uhr vorgesehen, bereits um 23.07 Uhr befand sich der komplette Bayern-Tross im Flieger. Nachdem die Maschine 20 Minuten enteist worden war, war sie laut Flughafen um 23.59 Uhr abflugbereit. Nach Angaben des Brandenburger Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung erfolgte die Bitte um Startfreigabe für den Flug allerdings erst um 0.03 Uhr. Das wäre zu spät, denn ab Mitternacht herrscht auf dem Flughafen ein fünfstündiges Nachtflugverbot (und eigentlich ist schon ab 23.30 Uhr kein regulärer Flug mehr möglich und nur noch Landungsverspätungen oder -verfrühungen zugelassen).
Der Bayern-Flieger durfte nicht abheben – und die gesamte Delegation musste die Nacht im Flugzeug verbringen. Erst am Samstagmorgen ging es nach einem Zwischenstopp in München – die Crew musste ausgetauscht werden – weiter nach Katar.
Die Schimpftiraden aus der Bayern-Führung fielen deutlich aus. So fühlte sich Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge von der zuständigen Regierungsbehörde „verarscht“, wie er via „Bild“ ausrichten ließ. Und auch Ehrenpräsident Uli Hoeneß legte nach, sprach nach der Reise-Posse im Bayerischen Hörfunk von „einem Skandal ohne Ende“.
Durch die verspätete Anreise musste das Trainerteam improvisieren. Nach der Ankunft am späten Nachmittag und der vorgeschriebenen Corona-Testung ging es direkt ins Hotel. Die eigentlich angesetzte regenerative Einheit fand deshalb erst am Sonntag statt, anschließend stand bereits das Abschlusstraining auf dem Programm.
„Natürlich war das alles ein bisschen suboptimal“, sagte Mittelfeldspieler Joshua Kimmich und betonte: „Nichtsdestotrotz sollten wir in der Lage sein, das Spiel zu gewinnen. Jeder hatte im Flugzeug auch die Möglichkeit, die Beine hochzulegen. Von daher werden wir morgen frisch in das Spiel starten.“
Mit einem Sieg würden die Münchner am Donnerstag bereits das Finale bestreiten und könnten sich in Katar zum Club-Weltmeister krönen. „Es ist schon etwas Besonderes, als Vertreter der UEFA an einer Club-WM teilzunehmen. Beste Club-Mannschaft der Welt: Das klingt richtig gut! Die Motivation könnte nicht größer sein“, gab Sportvorstand Hasan Salihamidzic jüngst die Marschrichtung vor. Chaos hin oder her.