München – Medaillenschmied im Home Office! Wenn Schwedens Biathleten in der jüngeren Vergangenheit Edelmetall bei Großereignissen geholt haben, war Johannes Lukas (27) immer dabei. Bei Hanna Oebergs Olympiasieg und der Heim-WM 2019 (drei Medaillen) jeweils noch als Assistent von Wolfgang Pichler; danach hat er als Cheftrainer das Ruder bei den Tre Kronor übernommen, um das Erbe der Ruhpoldinger Trainer-Legende fortzuführen.
Ab heute soll sein Team auch bei der WM in Pokljuka Medaillen liefern, am liebsten gleich heute bei der Mixed-Staffel (15 Uhr, ARD und Eurosport). Nur richtig mitfeiern kann der Münchner dann nicht, besser gesagt nur aus der Ferne. Ein Treppensturz beim letzten Weltcup vor der WM in Antholz und die damit einhergehende Schulter-Operation zwingen ihn zur Pause.
Wobei die Bezeichnung nicht wirklich zutreffend ist, denn der Ex-Biathlet koordiniert seine Mannschaft von zu Hause aus. „Ich bin gut ausgelastet, die Kommunikation funktioniert wunderbar. Die Situation wird keine Ausrede sein“, sagt Lukas.
Seine Vorort-Vertretung Mattias Nilsson (38), mit dem er schon seit fünf Jahren zusammenarbeitet, und die anderen Trainer liefern ihm Schussbilder, Trefferquoten, Rundenzeiten, Pulskurven und Laktatwerte der Athleten. „Nach meiner Analyse telefoniere ich mit jedem Einzelnen, damit ich den subjektiven Eindruck dazu noch bekomme“, erklärt Lukas.
Da Corona das normale Weltcup-Leben ohnehin durcheinander gewirbelt hat, ist die Umstellung nicht besonders groß. „Wir haben unseren Alltag schon vorher auf digitale Meetings umgestellt, die Vorbesprechung des Trainings würde auch nicht anders laufen, wenn ich in Slowenien wäre.“ Die Gesundheit der Mannschaft hat bei den Schweden oberste Priorität, der Verband organisiert deshalb auch eigene Flugzeuge, Busse und Corona-Tests. Dass seine so stark in die Saison gestarteten Sportler zuletzt in Antholz, mit Ausnahme eines 2. Platzes von Hanna Oeberg die vorderen Ränge verpassten, hat Lukas fast erwartet, da im Vorfeld zu wenig Zeit für die Akklimatisierung auf rund 1600 m blieb.
Für die zwölf Rennen im auf 1300 m gelegenen Stadion in Pokljuka haben sich die Schweden in Obertilliach (1450 m) in Tirol vorbereitet und viel vorgenommen. „Die Norweger können sich nach den Vorleistungen nicht aus der Favoritenrolle herausreden, aber sie sind auch mal gut für Fehler, das haben die Staffeln gezeigt“, sagt Lukas und ergänzt: „Wir haben in jedem Rennen eine theoretische Medaillenchance.“
Die Konkurrenz ist jedenfalls groß. Lukas meint: „Es werden ziemlich enge und interessante Wettkämpfe.“ Er verfolgt sie in den heimischen vier Wänden in München am Esstisch. „Den habe ich zum Arbeitsplatz umfunktioniert“, sagt Lukas und lacht: „Ich weiß bloß noch nicht, wie viel Bildschirme ich aufstellen muss, um alle Daten im Blick zu haben.“ MATHIAS MÜLLER