München – Heute Abend (20.30 Uhr, MagentaSport) tritt der EHC München bei den Augsburger Panthern an. Aufstellungsgeheimnisse gibt es im Eishockey nicht, wer fit ist, spielt. Die einzige Unbekannte: Wer wird im Tor stehen? Kein Club in der DEL hat eine Auswahl wie die Münchner. Trainer Don Jackson verfügt über drei Goalies, die alle schon in der Nationalmannschaft gehalten und vergangene Saison ein jeder einen Shut-out, eine Partie ohne Gegentor, absolviert haben. „Sie hatten voriges Jahr fast die gleiche Anzahl an Spielen“, sagt der Coach. In der Summe hat keiner einen solch üppigen Torhüterfundus wie der EHC, auch Manager Christian Winkler, selbst Tormann gewesen, hält die Besetzung für „herausragend“. Doch ist sie das wirklich? In der Eishockeyszene flackern immer wieder Gerüchte auf, die Münchner würden noch jemanden holen fürs Tor, weil sie sich doch nicht perfekt aufgestellt sehen.
Wer sicher nicht spielen wird in Augsburg, ist Daniel Fießinger. Der 24-jährige Allgäuer stand im Kasten des EHC, als der vor einem Monat zuhause 5:6 gegen Augsburg verlor. Nach einem zweiten Drittel mit fünf Gegentreffern musste Fießinger auf die Bank – seitdem hat er keine Minute mehr gespielt. Dass Don Jackson einen Torwart runternimmt, kommt so gut wie nie vor, es ist seine nonverbale Art, Unzufriedenheit auszudrücken. Öffentlich oder vor der Mannschaft kritisieren würde er einen Goalie nie – Torhüter stehen im Eishockey unter einem besonderen Schutz.
Sein erstes DEL-Match hatte Fießinger am 1. Dezember 2019 in Augsburg erlebt. Überraschend, weil nach Danny Aus den Birken auch Kevin Reich ausgefallen war. Bis dahin war er ein Torwart mit nicht mehr als Oberliga-Erfahrung, auf den die Augsburger DEL-Stürmer aus allen Lagen feuerten – mit Erfolg, die Panther gewannen damals 5:2. Doch in den folgenden Wochen wurde Fießinger immer besser und spielte sich schnell in den Dunstkreis des Nationalteams.
Bis zum 5:6 gegen Augsburg Anfang Januar wechselte Fießinger sich mit Kevin Reich ab. Beim 25-jährigen Reich, der schon mit 17 erstmals in der DEL aufgetaucht war, läuft es in dieser Corona-Saison besser: Bei seinen sechs Einsätzen sprangen fünf Siege für den EHC heraus. Allerdings meldet seit seiner Rückkehr nach einer Knieoperation auch Danny Aus den Birken (wird am Montag 36) wieder seine Nummer-eins-Ansprüche an. Nach den Prinzipien von Jacksons Torwartrotation wird er heute in Augsburg spielen.
In der aktuellen Statistik der DEL scheint die große Zeit Aus den Birkens, Rückhalt des olympischen Silber-Teams von 2018, dessen Name ein englischsprachiges Eishockey-Portal mal versehentlich mitübersetzte („Danny from the birch trees“), nicht mehr auf. Im derzeitigen Ranking von Fangquote und Gegentorschnitt ist Aus den Birken nur auf Platz 13, auch Reich (23.) und Fießinger (28.) brillieren nicht. Mit der Quote gehaltener Schüsse liegen sie alle deutlich unter dem Ligaschnitt von 90,24 Prozent, auch in detaillierten Auswertungen zum Erfolg bei Nachschüssen, in Über- und Unterzahlsituationen stehen andere Torhüter wie der Ingolstädter Michael Garteig (aus Kanada) und der Schwenninger Joacim Eriksson (Schwede) oben. Und in der Süd-Gruppe haben lediglich die abgeschlagenen Nürnberger (60) und Augsburg (47) mehr Gegentore kassiert als der EHC (45).
Statistik ist beliebt im Eishockey – doch eben nur das eine. Das andere: Der Name und die Aura eines Torwarts. Und da hat vor allem Aus den Birken trotz zweier längerer Verletzungspausen und der Tatsache, dass er seit zwei Jahren keine Rolle im Nationalteam mehr spielt, noch was zu bieten. Wie sagte Simon Sezemsky, der für seine Schlagschüsse im Powerplay gefürchtete Augsburger Verteidiger, nach einer der großen Schlachten gegen München: „Da steht schon auch ein Torwart drin bei denen.“ Anerkennung in Worte gegossen.