„Warum nicht Pius Paschke?“

von Redaktion

Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher über die bevorstehende Heim-WM in Oberstdorf

München – Er ist angetreten, um die deutschen Skispringer in der Erfolgsspur zu halten. Kurz vor der Heim-WM in Oberstdorf (23. Februar bis 7. März) ist Stefan Horngachers (51) Schützlingen aber ein bisschen die Leichtigkeit verloren gegangen. Echte Sorgen macht sich der Bundestrainer deshalb vor dem großen Saison-Höhepunkt aber nicht, wie er im Interview erklärte.

Herr Horngacher, Markus Eisenbichler hatte zuletzt in Zakopane nach seinem schwachen Auftritt angekündigt, dass er etwas kaputt machen will. Haben Sie das verhindern können?

Das haben wir verhindert, ja. Die Wogen sind geglättet. Manchmal müssen Emotionen raus, und man muss sich über sich selbst ärgern können. Das kann der Markus eigentlich ganz gut.

Der Durchhänger dürfte so kurz vor der WM allerdings weniger gelegen kommen.

Klar, das stimmt schon. Wir hatten in Lahti ein ganz gutes Ergebnis. Da dachte ich eigentlich, es passt alles. Aber in Zakopane hat es von Anfang an nicht funktioniert. Aber wir haben die Sprünge genau analysiert und wissen, was falsch gelaufen ist. Daran müssen wir jetzt arbeiten.

Welche Eingriffsmöglichkeiten haben Sie als Trainer noch?

Tief eingreifen kannst du jetzt natürlich nicht mehr. Trainiert haben wir im Sommer. Was wir jetzt haben, das ist das normale Tagesgeschäft. Aber da spielt sich ohnehin viel auf der mentalen Ebene ab. Gerade Markus muss wieder dahin kommen, dass er die Abläufe nicht erzwingen will, sondern dass er es intuitiv macht. Aber gut, manchmal kann so ein schwächerer Wettkampf auch helfen.

Ist es genau das, was einen Seriensieger wie Halvor Egner Granerud von den anderen unterscheidet?

Klar, bei ihm läuft es einfach von selbst. Das ist natürlich die feine Variante, wenn du da hinfährst und vorher alles nieder paniert hast. Aber er ist auch der Topfavorit. Er muss gewinnen. Aber das ist seine Sache, ich will meine Leute in die richtige Verfassung bringen.

Anders als manch andere Verbände, die noch einmal einen Trainingsblock einlegen, starten Sie auch noch beim Weltcup in Rasnov. Warum?

Weil es keine große Möglichkeit gibt, ein Training zu machen. Die Schanzen in Oberstdorf sind zu. Ansonsten sind die Wetterbedingungen im Alpenraum eher bescheiden. Regen und warm. In Rasnov erwartet uns ganz gutes Wetter. Außerdem wird dort auf der kleinen Schanze gesprungen. Die liegt uns eigentlich ganz gut. Karl Geiger hat dort im Sommer gewonnen, hat auch letztes Jahr gewonnen. Ein Erfolgserlebnis würde uns da natürlich sehr helfen. Und bei der WM wird als Erstes auf der kleinen Schanze gesprungen. Also ist das die perfekte Vorbereitung.

Markus Eisenbichler tritt in Oberstdorf als dreifacher Titelverteidiger an. Kann das ein Problem sein für einen grübelnden Athleten?

Nein, die WM in Seefeld ist durch, die ist Geschichte. Es geht jetzt einfach darum, in den Rhythmus zu kommen. In den Flow. Es würde natürlich vieles erleichtern, wenn wir gleich gut in den ersten Wettbewerb hineinkommen. Immerhin: Die Schanzen in Oberstdorf liegen uns. Karl hat dort bei der Tournee gewonnen. Und gerade Markus springt dort sehr gut.

Ansonsten wird vom Heimvorteil nicht viel bleiben. Ausgerechnet das über die beiden letzten Jahre angepeilte Highlight wird ohne Zuschauer stattfinden. Wie fühlt sich das an?

Das ist schon ein bisschen komisch. Oberstdorf hat so lange dafür gekämpft, die WM zu bekommen und jetzt kommt die Pandemie. Das ist fast so wie der Springer, der mit einer Verletzung zur WM fährt.Vor allem für die Veranstalter ist das schlimm, für alle, die sich da engagiert haben, tut mir das wahnsinnig leid. Für uns – na ja, wir sind es jetzt ja schon gewohnt. Wir werden die WM genauso angehen, wie wir sie unter normalen Umständen angegangen wären.

Vor der Saison schien der Kader so breit aufgestellt zu sein wie noch nie. Jetzt haben Sie doch die Athleten nominiert, die praktisch die ganze Saison bestritten haben…

Das Kriterium waren die Plätze in den Top 15/Top 8. Das haben drei Leute erfüllt. Am Ende ist es nur darum gegangen, einen von den sechs rauszulassen – das ist jetzt Constantin Schmid. Leider ist von hinten nichts nachgekommen. Wir haben einen Andi Wellinger verloren, einen Richard Freitag – sie haben den Schritt erst einmal nicht geschafft.

Die Entscheidung gegen Constantin Schmid war auch eine Entscheidung für Severin Freund. Was trauen Sie ihm zu?

Um die Medaillen wird er nicht kämpfen, so realistisch muss man sein. Aber ich traue ihm zu, dass er sich für die Mannschaft qualifiziert. das hat er drauf. So oder so ist es für uns aber auch sehr wichtig, dass wir einen stabilen vierten Mann haben. Mittlerweile brauchst du fast schon vier Top-10-Springer, um eine Medaille zu gewinnen. Wir haben mit Markus und Karl zwei Podestspringer und mit Pius Paschke einen Top-10-Springer. Dazu mit Martin Hamann einen Springer, der knapp dran ist.

Fahren Sie mit konkreten Erwartungen nach Oberstdorf?

Wenn man zu einer WM fährt, dann natürlich um Medaillen zu gewinnen. Realistisch können wir in jedem Wettbewerb um die Medaillen mitspringen. Aber eine WM oder Olympische Spiele sind nicht berechenbar. Wenn wir ein bis zwei Medaillen holen, dann wäre das schon gut. Das hätten wir auch verdient.

Das Gewicht liegt auf Markus Eisenbichler und Karl Geiger …

Auch Pius Paschke ist in dieser Saison sehr gut gesprungen. Er war im Sommer schon gut. Eigentlich habe ich von ihm sogar noch mehr erwartet. Aber Fünfter war er schon, vielleicht schafft er ja die Überraschung bei der WM. Ich traue es ihm zu.

Interview: Patrick Reichelt

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