Cortina d’Ampezzo – Am Ende hat Linus Straßer versucht, gleichgültig zu wirken. „Es ist, wie es ist“, sagte er. „Ich kann es eh nicht mehr ändern.“ Es ging nicht um den zweiten Durchgang des WM-Slaloms von Cortina’Ampezzo, nicht um den 15. Platz. Sondern um seinen Auftritt ein paar Stunden zuvor.
„Der Tag war wie geschaffen für mich: Es sind meine Verhältnisse, es ist mein Hang. Ich wollte es unbedingt“, sagte er. Aber mit 28 Jahren und vielen Weltcup-Jahren Erfahrung weiß der Skirennläufer auch, dass genau das manchmal „die Crux“ ist. „Dann fängt man, deppert Gas zu geben“, statt „ganz unaufgeregt, aus einer ruhigen Mitte raus anzugreifen“, schilderte er. Das Ergebnis: Ein 23. Platz im Zwischenklassement, damit war Straßer chancenlos, zumal die Startreihenfolge aufgrund des warmen Wetters und der zu erwartenden nachlassenden Piste verändert worden war. Nicht der 30. des ersten Durchgangs, sondern der 15. eröffnete den Finallauf.
Als Straßer deshalb abschwang, war der Slalom am Sonntag bereits entschieden. Der Norweger Sebastian Foss-Solevaag gewann vor dem Österreicher Adrian Pertl und seinem Landsmann Henrik Kristoffersen. Beim Münchner setzte sich der Abwärtstrend fort, der sich nach seinem Sieg in Zagreb und Platz zwei in Adelboden zuletzt abgezeichnet hatte.
Aber anders als bei den meisten der vorangegangenen Titelkämpfe hing es nicht mehr von den letzten Wettbewerben oder gar dem finalen Slalom ab, ob die deutschen Alpinen frohen Mutes heimreisen würden. Seit 2015 hatte es ausschließlich in den technischen Disziplinen Medaillen für den Deutschen Skiverband gegeben, jenen Rennen, die traditionell am Ende eines Großereignis ausgetragen werden. Dieses Mal war die Arbeit bereits erledigt, ein Erfolg von Straßer hätte die starke WM-Bilanz von dreimal Silber und einmal Bronze im Teamevent nur noch aufgehübscht. „Wir können sicher erhobenen Hauptes nach Hause fahren“, sagte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier. „Wir waren das Highlight-Team in vielen Disziplinen.“
Vor allem in den schnellen. Zum ersten Mal gab es für die Männer in Abfahrt und Super-G je eine Medaille. Die Erfolge der Schnellfahr-Sparte in der ersten Woche war sogar in Österreich wohlwollend aufgenommen worden, vermutlich aber nur deshalb, weil Vincent Kriechmayr in beiden Disziplinen eben noch ein bisschen schneller war als der schnellste Deutsche. Die „Kronenzeitung“ schrieb vom „deutschen Ski-Wunder“.
Es gab Großereignisse, in die war der DSV mit besseren Vorleistungen gestartet. Bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang vor drei Jahren zum Beispiel. Da hatte Thomas Dreßen gerade erst in Kitzbühel gewonnen, ein paar Monate davor bereits Josef Ferstl den Super-G von Gröden. Und Viktoria Rebensburg war in jener Saison die dominierende Riesenslalomfahrerin des Winters gewesen – im wichtigsten Rennen des Winters verpasste sie damals jedoch als Vierte eine Medaille. Dieses Mal war es umgedreht. Im Weltcup waren in diesem Winter nur Straßer und einmal Alexander Schmid als Dritter des Parallelrennens von Lech auf dem Podest gestanden.
Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele sind zwar nur Momentaufnahmen, aber Medaillen glänzen schöner und sorgen für mehr Aufmerksamkeit als Siege im Weltcup. In der verbandsinternen Bewertung der Saison spielen sie jedoch keine so große Rolle wie in der Öffentlichkeit. „Wir können die Leistungen einordnen“, sagt Maier. Die bei der WM und die im Weltcup. Dazu gehört, dass die Silbermedaille von Kira Weidle in der Abfahrt nicht über Probleme bei den Frauen hinwegtäuscht. „Da sind wir nicht wirklich konkurrenzfähig“, gibt Maier zu.
Weidle ist die einzige Weltklasseathletin im Team. Im Riesenslalom ist Deutschland nach dem Rücktritt von Viktoria Rebensburg nicht mehr präsent in der Weltspitze. Und im Slalom tritt das Team seit Jahren auf der Stelle. Verwöhnt von goldenen Zeiten einer Katja Seizinger oder Maria Höfl-Riesch weiß Maier, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, ehe neben Weidle weitere Frauen sportlich wieder mithalten können. Mit den mittlerweile erfolgreicheren DSV-Männern und mit der Weltspitze.