München – Eishockey ist hart, doch seine Sprache voller Rücksichtnahme. Christian Winkler, Sportchef des EHC München, sollte am Montagabend bei MagentaSport ein Urteil über Neuzugang Andrew Ebbett abgeben, er sagte: „Ein erfahrener Spieler, er hält seine Wechsel kurz. Was er macht, hat Hand und Fuß.“ Übersetzt: Ebbett ist ja schon 38 und eigentlich im Ruhestand, zuletzt hat er kaum trainiert, da muss die Form fehlen. 16 Mal ging er aufs Eis, im Schnitt dauerte ein „Shift“ bei ihm nur 36 Sekunden. Kurzarbeit. Der Kanadier, der mal Star beim Schweizer Serienmeister SC Bern war, fiel nicht groß auf beim 5:4-Verlängerungs-Sieg des EHC in Straubing. Es wird dauern, bis er eine Verstärkung sein wird.
Ebbett (38) ist Ersatz für Kalle Kossila (27), der von seiner NHL-Organisation zurück nach Kanada beordert wurde, Kossila wiederum sollte die Lücke schließen, die Dominik Kahun (25, jetzt in Edmonton), der noch beim MagentaSport Cup für den EHC gespielt hatte, hinterließ. Der Club ist auf einer seiner Mittelstürmerpositionen binnen Wochen 13 Jahre älter geworden. Ist er zu alt?
Die Hälfte des Kaders gehört zur Ü30-Fraktion; Yannic Seidenberg 37, Mark Voakes, Danny Aus den Birken 36, Chris Bourque 35, Philip Gogulla und Daryl Boyle 33, Zach Redmond, Patrick Hager und Frank Mauer 32, Keith Aulie 31, Andrew MacWilliam 30. Und das gefühlte „Mittelalter“ mit Trevor Parkes (29), Yasin Ehliz, Maxi Kastner und Konrad Abeltshauser (28) ist auch schon auf dem Weg Richtung 30. Am anderen Ende der Altersskala hat der EHC auch eine Jungschar um John-Jason Peterka (19) und Justin Schütz (20). Ü30 trifft U20 – iIst diese Struktur stimmig?
In der Eishockeyszene hat man sich gewundert, dass es vergangene Woche nicht der EHC München war, der die Verpflichtung von Tim Wohlgemuth vom ERC Ingolstadt vermeldete. München soll aus dem Wetteifern um den Stürmer (21) ausgestiegen sein, am Schluss standen nur noch Mannheim und Berlin im Ring, die Adler bekamen den Zuschlag für kommende Saison. Christian Winkler sagt: „Tim Wohlgemuth schätze ich, wir haben ihm aber gar kein Angebot gemacht.“
Der letzte aktuelle Nationalspieler, den der EHC verpflichtete, war der gebürtige Tölzer Yasin Ehliz im Herbst 2018. Der umworbene Straubinger Stürmer Stefan Loibl (24) entschied sich 2020 für die Adler Mannheim. Dort stürmt auch der Allgäuer Markus Eisenschmid (26), der Landshuter Nico Krämmer (28). Leo Pföderl (27), einer der deutschen Olympia-Silberhelden, ging 2019 von Nürnberg nach Berlin. Auch Daniel Fischbuch (27), derzeit bester deutscher Scorer in der DEL, war nach einer starken Saison in Nürnberg keine Option für München. Er veränderte sich nach Düsseldorf. Derzeit ist mit Manuel Wiederer (24), der zuletzt in Amerika spielte, ein deutscher Nationalstürmer auf dem Markt. Winkler sagt eher gleichgültig: „Wir halten die Augen offen.“
Dabei war es mal der Anspruch der Münchner, die besten deutschen Spieler bei sich im Kader zu haben. Als er Stars wie Seidenberg, Michael Wolf (mitterweile im Management), Hager und Mauer verpflichtete, war er noch nicht in der Lage, selbst Nationalspieler zu produzieren. Das hat sich geändert. Christian Winkler verweist auf die Nachwuchsarbeit bei Red Bull: „Wir haben hinter der Grenze in Österreich eine große Akademie.“ Und darum will er nicht von anderen Vereinen nehmen, was er heranziehen kann. Man müsse nur noch „zwei, drei Jahre warten, die die Jungs noch in die Schule gehen müssen“. Dann komme ein Schwung, angeführt vom 16-jährigen „Ausnahmetalent“ (Winkler) Julian Lutz.
Winklers aktuelles Beispiel, dass ein interner Aufstieg jederzeit möglich ist, liefert Elias Lindner (19) aus der Akademie, der den Ruf zum EHC in die DEL erhielt. „Vor sechs Wochen“, sagt der Manager, „kannte ihn noch niemand“. Das 5:4 in Straubing nun – „sein bestes Spiel“. Statistisch unauffällig (zehnmal auf dem Eis, nur sechseinhalb Minuten, kein Schuss, ein Gegentor) – aber: Eishockeysprache halt.