Andreas Bauers Sorge

Skispringen dünnt aus

von Redaktion

PATRICK REICHELT

Einen Tag vor dem Start hat sich auch Andreas Bauer noch einmal zu Wort gemeldet. Und das war insofern etwas Besonderes als der Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen mal nicht in den Tenor derjenigen einstimmte, die Highlights wie die WM in Oberstdorf nutzen, um die noch fehlende Chancengleichheit für seine fliegenden Frauen anzumahnen. Nein, Bauers Sorge vor dem Beginn des WM-Heimspiels galt den männlichen Kollegen. Der Allgäuer hat beobachtet, dass sich die Szene vermehrt auf sechs Topnationen verdichtet, dahinter „drohen Teilnehmerländer wegzubrechen.“

Dass Bauer da nicht ganz falsch liegt, zeigt der Blick auf die aktuelle Saisonwertung. Die Top-30 sind fester denn je in den Händen von Norwegen, Deutschland, Polen, Slowenien, Japan und Österreich – diese sechs Nationen teilten bislang auch die 78 Podestplätze dieses Winters unter sich auf. Der Schweizer Gregor Deschwanden auf Platz 23 ist der erste Athlet aus einem anderen Verband. Das ist wenig, in einer Sportart, in der immer auch wackere Einzelkämpfer die Szene belebten. Erinnert sei an Roberto Cecon, der es für Italien immerhin zu sechs Weltcupsiegen brachte. An Vincent Descombe-Savoie, der Frankreichs Flagge lange hochhielt. Oder Evgeni Klimov, der Russlands Springer 2018 mit einem Sieg in Wisla zumindest kurz von einer Rückkehr zu alter Größe träumen ließ.

Die Luft ist dünner geworden. Das mag auch damit zu tun haben, dass der Weltverband FIS den Spielraum für Materialtüfteleien im Regelwerk einengte. Vor allem aber hat es damit zu tun, dass die Topnationen immer weiter aufrüsten. In Polen etwa ist Skispringen stark subventionierte Nationalsportart. Man hat das erst bei der Vierschanzentournee gesehen, als sich sogar der Präsident in die Affäre um den Ausschluss von Kamil Stoch & Co. einschaltete. Auch in Deutschland oder Norwegen lässt man sich die so wichtige Springerabteilung einiges kosten. Von Betreuerstäben oder wissenschaftlichen Mitarbeitern wie sie in diesen Topnationen üblich sind, kann man andernorts nur träumen.

Wie lange das gut geht, bleibt abzuwarten. Nicht auszuschließen, dass die ohnehin begrenzte Vielfalt der Sportart tatsächlich noch weiter verloren geht, wie von Bauer befürchtet. Und das kann den Machern der FIS nicht gefallen.

patrick.reichelt@ovb.net

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