Der Wahnsinnstyp will Profi werden

von Redaktion

Leonard Graven brachte es in Unterhaching mit 16 zum Libero in der Volleyball-Bundesliga – das weckt Erinnerungen

VON UMBERTO SAVIGNANO

Unterhaching – Lange brauchte Leonard Graven nicht, um die Entscheidungsträger zu überzeugen: „Ich habe Lenny zum Probetraining eingeladen, und Patrick und ich waren nach einer Stunde einig: Er ist unser Mann“, erinnert sich Mihai Paduretu an den vergangenen Mai, als der Geschäftsführer des TSV Unterhaching gemeinsam mit seinem Trainer Patrick Steuerwald den Libero auf dessen Tauglichkeit für die Volleyball-Bundesliga prüfte. Die Erinnerung an einen der Vorgänger Gravens mag die Beurteilung erleichtert haben: Vor 15 Jahren holte Paduretu, damals noch selbst Bundesliga-Coach, den 17-jährigen Ferdinand Tille in sein Team. Der reifte in Unterhaching bald zum Weltklassespieler. Graven ist sogar erst 16, beschwört aber nicht nur wegen seines Teenagerstatus den Vergleich herauf. „Da gibt es auf jeden Fall Parallelen zu Ferdl. Allein von der Statur und den Bewegungen her. Die Ähnlichkeit ist unglaublich“, findet Steuerwald, der lange gemeinsam mit Tille spielte.

Max Hauser, Trainer des TSV Herrsching, wo Ferdinand Tille mittlerweile die Defensive organisiert, widerspricht zwar: „Ich kenne beide schon sehr lange. Sie sind sehr unterschiedlich, aber beide tolle Volleyballer. Ferdl war schon immer aufbrausend, er wird dafür geliebt und gehasst. Lenny ist ein Wahnsinnstyp, sehr positiv auf dem Feld.“

Doch an einer Parallele der blonden Abwehrchefs lässt sich keinesfalls rütteln: Wie Tille, dessen Bruder Johannes ja auch in Herrsching spielt, kommt Graven aus einer Volleyball-Familie, sein vier Jahre älterer Bruder Vincent schlägt für den Drittligisten ASV Dachau auf, sein Vater Josef „Sepp“ Wolf feierte als Jugendcoach mit den Dachauern Riesenerfolge, war unter anderem auch in Italien als Trainer tätig. „Ich habe mit sechs, sieben angefangen, Volleyball zu spielen, mein Papa und mein Bruder haben mir die ersten Schritte beigebracht“, erzählt Leonard Graven. „Und ich hatte das Glück, dass ich immer mit Älteren auf hohem Niveau trainieren durfte.“

Das tat der Teenager nach ersten Stationen in Dachau und Grafing sogar schon im Ausland, während eines einjährigen Familienaufenthalts auf Mallorca beim Club CV Soller. Nach der Rückkehr in die Heimat spielte er zunächst beim Ausbildungsteam des VCO München, verbunden mit dem Besuch der Eliteschule des Sports im Münchner Norden, wo er auch im Internat lebt. Dann folgte das Probetraining in Unterhaching, das Graven seinem Ziel, Volleyball-Profi zu werden, wohl ein ganzes Stück nähergebracht, ihm aber zunächst auch jede Menge Arbeit beschert hat.

„Das war schon stressig in der Klausurenphase“, räumt er ein. Ausgerechnet Corona erleichterte dem Elftklässler in der Rückrunde die Verbindung von Schule und Training unter Profibedingungen. „Das Homeschooling ohne Klausuren hat es ein bisschen einfacher gemacht.“

Die Leistungen haben aber schon vorher gestimmt. Viermal wurde der 16-Jährige bereits als wertvollster Spieler seines Teams ausgezeichnet. „Ich bin zufrieden mit meiner ersten Bundesligasaison. Ich hatte sehr viel Spielzeit. Ich dachte nicht, dass das so schnell geht. Und ich habe es ganz okay gemacht, sonst würde ich nicht spielen“, sagt Graven, der auch, was die Erfolge angeht, gerne irgendwann Parallelen zu dem mit WM-Bronze dekorierten Ferdinand Tille aufweisen würde. Sein Trainer traut es ihm zu, doch in Watte packt Steuerwald, der den TSV am Samstag gegen Düren zum letzten Saisonspiel aufs Feld schickt, Graven nicht: „In den meisten Dingen hat er einen Schritt nach vorne gemacht, aber es fehlen eben immer noch zwei Schritte. Die kann er machen, wenn er so fleißig weiterarbeitet. Das Potenzial ist da.“

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