München – Im Schlussviertel war für Andrea Trinchieri die Zeit gekommen, James Gist ins Rennen zu schicken. Der US-Forward hatte sich dieses Euroleague-Duell seiner Basketballer des FC Bayern mit Maccabi Tel Aviv über weite Strecken sogar von hinter der Bank mit angeschaut. Der 34-Jährige sollte sich seine Kräfte einteilen, bis zur Crunch time, jenen Minuten, in denen es um alles geht.
Weil Trinchieri schon geahnt hatte, dass sich auch dieses Spiel, in dem die Bayern lange hinterhergelaufen waren, noch einmal zuspitzen würde. Und die Idee ging ja auch auf. Gist sortierte hinten die Defensive, Vorne steuerte er, als den Kollegen die Hände zitterten, zwei Körbe bei, die am Ende den Weg zum 72:70-Erfolg ebneten.
Und es deutet sich immer mehr an, dass die Nachverpflichtung des Veteranen Anfang Dezember eine der Schlüsselentscheidungen auf dem Weg in die historischen ersten Euroleague-Playoffs eines deutschen Teams werden. Irgendwie sieht das auch Gist selbst so. „Es ist jetzt eine Phase der Saison, in der Erfahrung am wichtigsten ist“, sage er. Und nicht viele haben mehr davon als der Mann, der in seiner Karriere weit über 200 Partien in der Königsklasse bestritten hat (u. a. Panathinaikos Athen).
Der Mangel an Erfahrung ist der einzige Makel – wenn man überhaupt etwas bemängeln will am erfolgreichsten deutschen Team in Europa. In das sich der Trainer schon früh in der Saison verliebt hat. „Diese Mannschaft ist grün, es fehlt ein bisschen Basketball-IQ“, sagte er, „aber sie hat einen unglaublichen Charakter. Mit diesen Jungs musst du in den Krieg ziehen.“ Gegen Maccabi, den dreimaligen Champion, machten die Bayern im Schlussspurt zum achten Mal in dieser Euroleague-Saison, einen Rückstand von mindestens zehn Punkten wett. Überhaupt kann sich Trinchieri nur an „maximal vier Spiele“ erinnern, in denen seine Profis nicht alles versucht haben, um zu gewinnen.“ Bei Gist klingt das so: „Wir haben viele Hunde, die zu Wölfen werden können.“ Der Sohn eines US-Soldaten, der auf dem türkischen US-Stützpunkt Adana geboren wurde, schickt schon einmal eine Warnung an die potenzielle Playoff-Konkurrenz. „Wir sind sicher eines der Teams, gegen das keiner spielen will“, sagte er, „weil wir einfach jeden überraschen können.“
Wobei der 2,06-Meter-Riese seinen Arbeitgeber der Konkurrenz in Europa auf anderer Ebene schon voraus sieht. „Bayern ist der professionellste Club, bei dem ich je gespielt habe“, schwärmte er, „sie waschen die Wäsche, sie wechseln die Reifen, wenn etwas kaputt ist, dann reparieren sie es – es gibt nichts, wofür nicht gesorgt ist.“ Standard, wie er ihn ansonsten nur in der nordamerikanischen Basketball-Traumfabrik NBA verortet.
Gist will es unbedingt mit Erfolgen zurückzahlen. Will aus der bislang besten Saison eines deutschen Teams in Europa eine noch bessere machen: „Unser Job ist noch nicht beendet.“