München – Er ist der Chef des Bora-hansgrohe Rennstalls. Und auch in der Corona-Krise hat Ralph Denk mit seinem Prestige-Projekt große Pläne. Bei den großen Landesrundfahrten will der 47-Jährige im Spitzenfeld landen.
Herr Denk, die Corona-Krise hält die Welt seit über einem Jahr in Atem. Viele Sportarten stehen vor dem finanziellen Kollaps. Wie sieht es bei Bora-hansgrohe aus?
Wir hatten das Glück, dass Bora und hansgrohe als unsere größten Partner die Vereinbarungen zu 100 Prozent erfüllt haben. Natürlich haben auch wir Einnahmen nicht generieren können – vor allem bei Startgeldern. Wir haben dadurch in einem hohen sechsstelligen Bereich Geld verloren. Das konnten wir aus Rücklagen kompensieren und so stehen wir finanziell nach wie vor gut da.
Dadurch konnte sich Bora-hansgrohe auch ein paar Neuzugänge leisten. Unter anderem Wilco Kelderman, dem allerdings eine große Verletzungsanfälligkeit nachgesagt wird. Er war bereits in einen schweren Trainingsunfall am Gardasee verwickelt.
Es gibt böse Zungen die behaupten, Wilco könne nicht Radfahren, deswegen stürze er so oft. Nicht jeder hat es für gut befunden, dass wir so einen Sturzpiloten ins Team holen. Aber am Gardasee war er wirklich unschuldig.
Keldermann wird, anders als Emanuel Buchmann, bei der Tour de France an den Start gehen. Warum?
Wir haben uns die Streckenverläufe von Giro, Tour und Vuelta genau angeschaut. Bei der Tour gibt es heuer mehr Zeitfahr-Kilometer als üblich. Wir haben im Gegenzug aber keine Hochgebirgsetappen in dem Sinne – also kaum Etappen über 4000 Höhenmeter. Das ist Emanuel Buchmann nicht auf den Leib geschnitten. Deswegen haben wir umgeplant. „Emu“ ist unser Kapitän beim Giro. Und Wilco wird unser Kapitän bei der Tour de France.
Was sind die Zielvorgaben für die Tour?
Wilco soll für eine Top-Fünf-Platzierung bei der Tour sorgen und Emanuel aufs Podium beim Giro fahren. Das sind unsere Ziele.
Und in Frankreich soll das Sprinter-Duo Pascal Ackermann und Peter Sagan für Etappensiege sorgen?
Diese Kombination ist möglich. Es ist aber auch möglich, dass nur Sagan fährt, genau so ist es möglich, dass nur Ackermann fährt. Beide sind vornominiert. Jetzt müssen wir die ersten Rennen abwarten, um kurz vor dem Event eine Entscheidung treffen.
Es ist stets von einem Tour-Versprechen für Ackermann die Rede.
Er hat ein Tour-Versprechen von mir in seiner Vertragslaufzeit, das ist richtig. Aber ich muss dazu sagen, dass sein Vertrag ausläuft. Heißt: Entweder muss ich ihn fahren lassen oder ich muss den Vertrag verlängern – oder beides (lacht).
Wann wird über die Zukunft von Ackermann entschieden?
Wir haben vereinbart, dass wir uns nach den ersten Rennen im Frühling zusammensetzen. Ich würde ihn gerne im Team halten, das ist klar mein Ziel. Er ist der beste deutsche Sprinter und bei uns Profi geworden. Deswegen hoffe ich schon, dass wir einen Weg finden auch in den nächsten Jahren zusammenzuarbeiten.
Ein anderer Neuzugang ist Anton Palzer, der als Skibergsteiger aktiv ist. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Da muss ich jetzt weiter ausholen (lacht). Anton Palzer hat vor drei Jahren einen Skibergsteiger-Weltcup in China gewonnen. Ich habe ihm via Instagram dazu gratuliert und ihn eingeladen, mal ein Trainingslager mit uns zu absolvieren. Dann hat er drei Jahre lang nichts hören lassen, weil er seine Instagram-Anfragen nicht bearbeitet hat. Also hat er meine Nachricht erst „kürzlich“ gelesen.
Und dann?
Passender Weise war er auf der Suche nach einem Radsport-Trainer, um sich in seiner Sportart zu verbessern. Für ihn ist Radsport die Königsdisziplin im Ausdauersport. Zuvor hat er immer alleine freestyle mit dem Motto „viel hilft viel“ trainiert. Dann hat er unseren Trainer Helmut Dollinger kontaktiert, der ja bei mir angestellt ist. Dann meinte ich: Helmut, schau dir den mal an. Nach vier Wochen rief mich Helmut an und meinte im positiven Sinne: Der hat üble Werte, dieser Skibergsteiger. Und jetzt wird er zum 1. April Radprofi. Wenn es funktioniert, wird es eine große Geschichte.
Interview: Manuel Bonke