München – Leroy Sané verfügt über ein gesundes Selbstbewusstsein und den nötigen Schuss Humor. Seit Jahren versieht der 25-Jährige jeden seiner Beiträge in den sozialen Medien mit dem Hashtag inSané. Ein Konglomerat aus dem englischen Wort insane („verrückt“) und seinem Nachnamen. Im Zusammenhang mit Fußball wird insane als positive Beschreibung für atemberaubende Tore oder Dribblings genutzt. Auch am Samstagabend meldete sich Sané digital zu Wort, schrieb nach dem Sieg gegen Borussia Dortmund (4:2): „Die drei Punkte bleiben in München! #inSané“.
Und tatsächlich: Sané war – ähnlich wie Kingsley Coman auf dem anderen Flügel – einer dieser „verrückten“ Irrwische gewesen, die die BVB-Abwehr dauerhaft malträtierten und geduldig nach Lücken suchten. „Er war entscheidend dafür, dass wir den Anschlusstreffer gemacht haben“, sagte Trainer Hansi Flick. Sané hatte Nico Schulz vor dem 1:2 mit einem angetäuschten Schuss und einem blitzschnellen Haken ins Leere laufen lassen. Seine Hereingabe mit dem schwächeren rechten Fuß drückte Robert Lewandowski über die Linie. Wettbewerbsübergreifend bereits Sanés zehnter Assist im 31. Einsatz, dazu kommen acht eigene Treffer.
Flick sagte nach dem BVB-Spiel: „Er hat – wie die gesamte Mannschaft – überragende 70 Minuten gespielt. Genau so stellen wir uns das Ganze auch vor.“ Die mit Abstand größte Würdigung, die der Bayern-Trainer seinem Königstransfer seit dem Sommer zuteil werden ließ.
Zur Erinnerung: Am 19. Dezember 2020, vor knapp drei Monaten, hatte Flick noch für ein mittelschweres Erdbeben im Bayern-Kosmos gesorgt, als er Sané beim Gastspiel in Leverkusen zunächst ein- und 36 Minuten später bereits wieder ausgewechselt hatte. Ein Grund dafür: In der internen Hackordnung stand der gebürtige Essener damals hinter Thomas Müller und Serge Gnabry.
Sané verstand das Signal von Flick, der zuvor immer wieder das Defensivverhalten des Offensivmannes bemängelt hatte. Sané ließ sich nicht hängen, sondern kniete sich rein. Den endgültigen Beweis, dass der 25-Jährige beim FC Bayern angekommen ist, lieferte er gegen Dortmund in Minute 88. Emre Can hatte den Ball erobert, Sané jagte hinterher, setzte seinen Körper robust ein und gewann das Duell. Wenige Sekunden später zappelte das Leder nach Leon Goretzkas Schuss im BVB-Tor. Sané hatte Gegenpressing in Perfektion gezeigt, Flick dürfte an der Seitenlinie das Herz aufgegangen sein.
Dass der Bayern-Trainer nach 66 Minuten Coman – und nicht etwa Sané – gegen Gnabry ausgetauscht hatte, erwies sich als gute Entscheidung. Sie zeigte zugleich: Die Kräfteverhältnisse in der Bayern-Offensive haben sich verschoben. Zugegeben, Gnabry ist nach einem Muskelfaserriss noch nicht wieder bei 100 Prozent. Der Weg zurück in die Startelf und vorbei an Sané aber dürfte so leicht nicht werden.
Sané scheint nach seinem im August 2019 erlittenen Kreuzbandriss endgültig auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Flick hat künftig also die Qual der Wahl. Für den Trainer und Vereinsbosse keine schlechte Situation. Denn: Laut „kicker“ ziert Coman sich, seinen bis 2023 laufenden Vertrag vorzeitig um drei weitere Jahre zu verlängern. Ein erstes Angebot des FCB hat er demnach abgelehnt, die Verhandlungen sind vorerst unterbrochen. Coman hat ganz offensichtlich andere Vorstellungen davon, wie ihm der Verein die viel zitierte Wertschätzung (übersetzt: Geld) entgegenbringen soll.
Zwei starke Flügel-Konkurrenten wie Sané und Gnabry stärken in dieser Angelegenheit allerdings wohl eher die Position des FC Bayern als die von Champions-League-Held Coman. JONAS AUSTERMANN