München – Fernseher an, es ist Fußballabend. Ein großer. Flutlicht, Champions League. Eineinhalb Stunden und vielleicht ein bisschen länger eintauchen in das Spiel, in die damit verbundenen Gefühle von Triumph, Hoffen, Bangen, Ernüchterung. Dafür ist man Fußball-Fan, oder?
Altmodisch, ein Spiel in voller Länge anzuschauen und dann, wenn es gerade läuft! Das sagen immerhin 38 Prozent aller, die sich Fans dieses Sports nennen. Ihnen genügen Highlights, wie sie sie etwa auf YouTube zu sehen bekommen, oder der Blick aufs Smartphone: Wie steht’s? Okay.
Fußball auf die klassische Art zu verfolgen, verliert an Bedeutung. Das ist eines der Ergebnisse einer großen Untersuchung, die die European Club Association (ECA), der einst Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern vorstand, bei ihrem letzten Treffen den Mitgliedern vorgestellt hat: „Fan of the future“ – die Studie, die darstellen soll, „dass sich die Anatomie des Fans signifikant entwickelt hat“. Mögen die Clubs sich darauf einstellen.
Je 2000 Personen zwischen 8 und 64 Jahren auf sieben Fußballmärkten (Großbritannien, Deutschland, Spanien, Polen, Niederlande, Indien, Brasilien) wurden seit Januar 2020 befragt, welche Verbindung sie zum Fußball haben. Herausgekommen ist, dass der Fußball sich strecken muss. Denn immerhin 41 Prozent aller Anhänger sagten: Fußball ist ersetzbar durch andere Formen der Unterhaltung. Die Konkurrenz sind nicht unbedingt alternative Sportarten, sondern alles, was das Leben zu bieten hat. 43 Prozent geben an, für Fußball weniger Geld auszugeben als noch vor fünf Jahren. Darum denkt die nun vom Italiener Andrea Agnelli geleitete ECA über neue Modelle nach: Matches einzeln an interessierte Zuschauer zu verkaufen, Abos für die Schlussviertelstunde von Spielen anzubieten oder für Kanäle, die die Highlights herausarbeiten. Die der ECA angeschlossenen Vereine sollen in sich gehen.
Wichtig für die Clubs, wenn es um die Strategie für die kommenden Jahrzehnte geht, ist das Konsumerverhalten der jungen Altersgruppen bis 15. Gute Nachricht: Fast alle kicken selbst. Gleichfalls populär ist die Konsole. E-Soccer (das FIFA-Spiel) ist für viele der Einstieg und der Weg, sich einen Verein auszusuchen (in Indien noch stärker als in anderen Kulturen).
Überhaupt: Wie kommt man dazu, einen Club zu unterstützen? Die Motive sind: Erfolg (28 Prozent), Spielstil (33), die Werte, die ein Verein vertritt (30), der Standort (25), weil man’s von den Eltern geerbt hat (26), über Freunde (20). Auch wesentlich: Wenn der Lieblingsspieler für besagten Verein antritt (20 Prozent).
Einzelspieler, Ikonen, werden immer wichtiger, dafür haben Cristiano Ronaldo und Lionel Messi gesorgt, ihr individueller Wettstreit war ein Segen für die spanische Liga. Die nächste große Rivalität wird zwischen Kylian Mbappé und Erling Haaland erwartet. Noch spielen sie in unterschiedlichen Ligen (Frankreich, Deutschland). Noch. Klar ist: Eine Liga, die beide Attraktionen präsentiert, wird gewinnen.
Weitere interessante Resultate: 37 Prozent aller Fans haben (mindestens) zwei Lieblingsclubs. Für den FC Bayern etwa gilt: Für 42 Prozent ist er die Hauptliebe, für 58 Prozent die Zweitbeziehung; bei Borussia Dortmund beträgt das Verhältnis 29:71. Eine Mehrheit von 70 Prozent durchforstet die Nachrichtenseiten und Sozialen Medien ständig nach Neuigkeiten über den Fußball, 39 Prozent setzen Geld auf Spiele (daher der prosperierende und werblich präsente Wettmarkt), 30 Prozent (bei den Bis-15-Jährigen sogar 44 Prozent) scheuen nicht vor der Nutzung illegaler Streams zurück, 42 Prozent informieren sich über das Medium Podcast – erstaunlich.
Das Fernsehgerät ist nicht mehr die Welt.