ZWISCHENTÖNE

Sucht die Bild-Zeitung den neuen Bundestrainer?

von Redaktion

Wie unfassbar wichtig die Meldung vom letzten Dienstag gewesen ist, lässt sich allein daran erkennen, dass sie in der Tagesschau sogar Corona verdrängt hat. Nun sage keiner, das sei ein bisschen übertrieben gewesen, denn dass sich Jogi Löw nicht mehr allzu lange würde halten können als Trainer der „Mannschaft“ (gemeint ist, für alle, die Bierhoffs Marketingstrategie nicht kennen, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft), ist nun auch nicht eben überraschend. Verwunderlich war aber schon, dass er sein Ende selbst verkündet hat und das an einem stinknormalen Dienstag, an dem mal gerade keiner an Löw gedacht hat und auch sonst nur das übliche Gerangel um Impfen, Testen und raffgierige Abgeordnete Thema war.

Löw geht. Nicht jetzt, aber im Sommer, nach einer Europameisterschaft, von der noch keiner weiß, ob, wo und wie sie stattfindet. Löw geht, egal, ob wir wieder in der Vorrunde rausfliegen, 0:6 gegen Spanien verlieren oder den Titel holen. Und das ist ziemlich klug von Löw, nun kann ihm keiner mehr was. Egal, wie die Sache ausgeht.

Spannend aber könnte werden, ob ein Nachfolger noch vor oder erst nach der EM gefunden wird. Brauchen wir, wie einst nach Völler, eine Trainerfindungskommission (TFK)? Oder übernimmt das diesmal die Bild-Zeitung? Könnte aber auch sein, dass der Bierhoff schon einen hat, der perfekt in sein Konzept passt. Oder der DFB-Boss Keller seinen badischen Landsmann Streich überzeugt, eine Fortsetzung der Freiburger Connection aufzulegen.

Schon aber hagelt es Absagen. Klopp hat Vertrag, Nagelsmann bleibt lieber Vereinstrainer, Tuchel ist gerade mit Chelsea erfolgreich, Flick hat sich beim FC Bayern unentbehrlich gemacht. Dabei gibt es doch eigentlich nichts Schöneres, als Trainer der wichtigsten deutschen, kurz: der Mannschaft, zu sein. Der Job war zwar auch mal attraktiver, als man hinten auf der Trainingsjacke noch den Mercedes-Stern trug und nicht das biedere VW-Logo, als die letzte 0:6-Niederlage fast 90 Jahre zurückgelegen hat und selbst Länderspiele gegen Armenien noch Straßenfeger gewesen sind. Aber das Renommee, dritter Mann im Staat nach Bundespräsident und Bundeskanzler(in) zu sein, bei Weltmeisterschaften sogar erster, sollte doch reizen.

Trotzdem könnte es schwierig werden. Rehhagel, der alte Grieche, ist nun wirklich zu alt, Völler würde es sicher nur machen, wenn Waldi Hartmann ins Fernsehen zurückkehrt. Kokst Daum eigentlich noch? Ein paar Jahre früher hätte man den Hitzfeld favorisiert, dann den Heynckes, der smarte Herr Rose wechselt gerade von einer Borussia zur anderen. Ein weiterer Kandidat hört auf seine innere Stimme, der nächste auf seine Frau. Will denn wirklich keiner?

Doch, einer würde sicher wollen, wenn man ihn nur fragt. Und frei wäre er, nachdem das mit dem Job als Greenkeeper bei den Bayern auch nicht geklappt hat. So abwegig scheint es nun gar nicht mehr, dass es doch mal Lothar Matthäus wird. Zumindest hat der inzwischen so viel Expertenwissen, dass er locker auch ein 0:6 flugs relativieren und kritische Nachfragen in einem fränkischen Redeschwall ersticken könnte. Wäre bestimmt unterhaltsamer als ein fein dozierender Professor Rangnick.

Warum aber denkt eigentlich niemand an Robert Klauß? Keiner kann den modernen Fußball besser erklären als der junge Club-Coach, ein Mann der Zukunft (neudeutsch: Laptoptrainer). Er könnte Fußball-Deutschland auf ein neues Level hieven, Begriffe wie den breitziehenden Zehner, den asymmetrischen Linksverteidiger und das Abkippen in die Dreierkette an deutsche Stammtische bringen. Falls man uns dort mal wieder leidenschaftlich über Fußball debattieren lässt.

Von Reinhard Hübner

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