Was muss ein Bundestrainer können?

von Redaktion

Die aussichtsreichsten Kandidaten – und ob sie zum DFB überhaupt passen würden

VON GÜNTER KLEIN

München – Der DFB könnte die Stelle eines „Bundestrainers A-Nationalmannschaft“ ausschreiben. Mit reichlich Wortgedöns und Betriebswirtschafts-Sprech. Dabei sind die Anforderungen an den höchsten Mann im Fußballstaate ganz einfach zu definieren. Joachim Löw, der baldige „Bundestrainer emeritus“, hat das am Donnerstag auf seiner Pressekonferenz in Frankfurt in einem kurzen Satz getan. „Als Nationaltrainer“, sagte der 61-Jährige nach 15 überwiegend erfolgreichen Jahren auf dem Posten, „trainiere ich nicht Spieler, sondern eine Mannschaft.“ Heißt: Was die Qualität des Personals betrifft, hat er keine großen Einflussmöglichkeiten, Spieler werden in den Vereinen gemacht. „Der Bundestrainer kann sich nicht auf dem freien Spielermarkt eine Konstellation erkaufen“, so DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Auch der Nachfolger von Joachim Löw wird ein Endverwerter sein, abhängig von der Arbeit anderer. Sein eigenes Zutun: Das Beste daraus machen, die Spieler für die Extrameile begeistern und für ein gutes Einvernehmen zwischen Clubs und Verband sorgen.

Also: Wer von den handelsüblichen Kandidaten könnte die Rolle überhaupt wie gefordert ausfüllen?

Jürgen Klopp: Ihn lieben die Deutschen (mehrheitlich), seit er bei der WM 2006 im Deutschland-Retro-Trikot im ZDF die Spiele erklärte. Damals war er der junge Trainer des Underdogs Mainz 05. Mittlerweile ist „Kloppo“ eine Welttrainer-Marke. Er wäre die spektakulärste und prominenteste Lösung für die Löw-Nachfolge. Das Interesse an der Nationalmannschaft würde steigen. Aber man muss auch realistisch sein. Selbst wenn Klopp beim FC Liverpool nicht mehr erwünscht sein sollte – für viele andere ambitionierte Clubs wäre er interessant. Und er ist ja auch eher der Typ Vereinstrainer, der die tägliche Dosis Adrenalin zu benötigen scheint. Außerdem: Der aufopferungsvolle Vollgas-Fußball, den Klopp bevorzugt, ist nicht die erste Option für eine Nationalmannschaft, die es oft mit kleinen Gegnern zu tun bekommt und deren Spieler nicht überstrapaziert zu den Clubs zurückgeschickt werden sollen.

Hansi Flick: Markus Hörwick, der langjährige Pressesprecher des FC Bayern, riet Flick aus der Ferne eines Talks beim neuen Sozialen Netzwerk „Clubhouse“, am Ende dieser Saison den FC Bayern zu verlassen – mit einem Legendenstatus, wie ihn sonst nur Jupp Heynckes hat. Tatsächlich hat die Zeit als Bundesligatrainer, die ja erst vor eineinhalb Jahren begann, den lange als stillen DFB-Mann wahrgenommenen Hansi Flick aufgewertet. Er ist der einzige Kandidat, der sich in beiden Welten bewährt hat. Dass er seine Karriere mit einer Rückkehr zum Verband abrundet, ist auch aus folgenden Gründen vorstellbar: Flick schätzt ein Arbeitsumfeld, das harmonisch ist (womöglich lässt das beim FC Bayern Hasan Salihamidzic nicht zu), und er ist ein heimatverbundener Familienmensch, der – die jugendliche Optik täuscht – auf das siebte Lebensjahrzehnt zugeht. Bundestrainer wäre ein logischer Abschluss seines Berufslebens. Sympathieträger Flick wäre auch für Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff die genehm-ste Lösung. Seine eigene Position wäre gefestigt.

Ralf Rangnick: Der Kandidat, der am stärksten polarisiert.

Die Wahrnehmung der einen Seite wird bestimmt durch Auftritte wie: Als Taktik-Schlaumeier vor gut 20 Jahren im Sportstudio, als Leipziger Sportdirektor, der mit dem Smartphone in der Hand auf den Platz läuft, um dem Schiedsrichter einen Videobeweis aufzuzwingen. Uli Hoeneß nannte ihn „einen Besserwisser, der überall scheitert“, Gerhard Mayer-Vorfelder wollte Rangnick beim VfB Stuttgart einst „am ersten Tag gleich wieder entlassen“. Die Pro-Rangnick-Seite sieht indes die imposante Selfmade-Karriere vom namenlosen Kicker zum Leiter großer Projekte bei Hoffenheim und Leipzig.

Allerdings: Gewonnen hat Rangnick, der als junger Trainer seinen Teams schon mal Modern-Talking-Kassetten vorspielte („You Can Win if You Want“) noch nichts, und als Förderer deutscher Talente wird er überschätzt (Ausnahmen: Joshua Kimmich, Tobias Werner). Sein Scouting sorgte für internationalen Zufluss – darum würde es beim DFB nicht gehen. Der weltgrößte Fachverband wird sich einem spürbar von Streitlust getriebenen Quereinsteiger nicht unterwerfen. Wobei der nun auch noch mit der Rolle als Sportchef auf Schalke liebäugeln soll.

Lothar Matthäus: Die Unterstützer kommen aus der konservativen Ecke, bevorzugt von Ex-(National-)Spielern, die das System Fußball durch Expertenjobs in Lohn und Brot hält. Kein Zufall: Matthäus ist Vorsitzender des „Clubs der Nationalspieler“, das ehrenvolle Amt übernahm er von Uwe Seeler. Realistisch betrachtet: Matthäus ist ein anerkannter TV-Experte, aber hatte seit über zehn Jahren keinen Trainerjob mehr. Nicht vorstellbar, dass der DFB vor dem Hintergrund der Akademisierung des Fußballs jemanden nimmt, der in neuester Lehre nicht up to date ist.

Marcus Sorg: Im Verband ist der erstaunlicherweise bereits 55-Jährige höchst anerkannt, öffentlich nahezu unbekannt, obwohl er Joachim Löw 2019 bei zwei Spielen als Chef vertrat. In der Bundesliga als Coach des SC Freiburg gescheitert. Im Nachwuchs des FC Bayern war er nur eine Saison tätig. Erfolg: Die U19 des DFB führte er 2014 zum EM-Titel. Allenfalls als Übergangslösung denkbar.

Stefan Kuntz: Hat als U-21-Bundestrainer einen Sorg vergleichbaren Hintergrund, aber den größeren Namen. Der dunkle Fleck in seinem Lebenslauf ist das Scheitern als Funktionär bei seinem 1. FC Kaiserslautern. Zum DFB holte ihn der Sportdirektor Hansi Flick, der Kuntz’ Trainertalent erkannte. Stefan Kuntz (58) war schon als Nationalspieler (Europameister 1996) im Umgang mit Medien versiert. Unter den DFB-Trainern der nahe liegende Kandidat auf die vakante Stelle.

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