Der Fall Peter Bosz

Schöner scheitern

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Peter Bosz vermittelt in seinen guten Momenten das Gefühl, man könnte ihm jede Mannschaft der Welt anvertrauen, sogar das Ensemble des FC Bayern. Der Niederländer ist der Typ moderner Trainer (der sein Tablet vor der Bank aufbaut – auf einem Notenständer), er ist der Typ eloquenter Erklärer, der Typ Menschenfreund, der dem lästigsten Fragesteller noch mit Verbindlichkeit begegnet, der Typ ehrlicher Trainer, der eine schlechte Leistung nicht zur guten verklärt. Und er ist ein Trainer, der das Spiel liebt. In seiner Schönheit. Bedingungslos. So wie er in Dortmund loslegte, schien es für ihn keine Grenzen zu geben. Und auch mit Leverkusen stand er prächtig da. Ins letzte Bundesligaspiel vor Weihnachten ging Bayer 04 als Spitzenreiter der Bundesliga.

Doch leider gibt es an Peter Bosz eben auch die Momente, die offenbaren, dass er nicht mehr sein wird als das, was er bei seinen beiden bisherigen Deutschland-Stationen war: Ein Trainer, der eine Mannschaft beflügeln, sie ihrem Idealzustand nahe bringen, sie dort aber nicht halten kann. Und so ist es eben bei vielen in der Fußball-Lehrer-Branche: Sie erzielen Effekte, die nicht von Dauer sind. Die meisten Trainermissionen enden, bevor eine Vision, falls es eine gab, erreicht worden wäre. Es bleibt die Ausnahme, dass ein Trainer nicht entlassen wird oder werden muss, sondern seine Zeit mit dem Fazit endet: Ziele verwirklicht, nun wird übergeben. Letztlich ist Peter Bosz also kein recht viel anderer Trainer als Bruno Labbadia oder Markus Gisdol, den es als nächsten erwischen wird: Fängt gut an, doch lässt (schleichend) nach.

Der Fall des gestern in Leverkusen gefeuerten Peter Bosz hat halt eine tragische Note: Weil er die Höhe erst schafft, aus der der Absturz umso dramatischer anmutet. Dortmund unter Bosz schien 2017 die Bayern abhängen zu können, Leverkusen 2020 zur Überraschung der Corona-Sondersaison zu werden. Er zeigt, was möglich wäre und weckt Begehrlichkeiten, die er dann nicht befriedigen kann. Es scheint, als zerbrächen Bosz-Teams an Negativereignissen: Beim BVB war es eine zweite Halbzeit gegen Schalke (4:0 – 4:4), bei Leverkusen die kühle Zurechtweisung durch die Bayern. Einen Negativtrend kann Bosz nicht aufhalten, weil er seinen Idealismus über jeden Pragmatismus stellt. Peter Bosz scheitert vielleicht schöner als andere, als die Labbadias und Gisdols, aber er scheitert. Für die Bayern oder einen anderen Topclub ist er daher zu klein.

Guenter.Klein@ovb.net

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