Am Ende sorgte Timo Glock dafür, dass Lewis Hamilton 2008 seinen ersten WM-Titel einfuhr. Das Drama von Interlagos ging in die Formel-1-Geschichte ein: Beim Saisonfinale überholte McLaren-Fahrer Hamilton zwei Kurven vor dem Ziel Glock, der sich im Regen in seinem Toyota mit Trockenreifen kaum mehr auf der Strecke halten konnte. Damit sicherte sich Hamilton den fünften Platz – und genau die vier Punkte, die er brauchte, um Fan-Liebling Felipe Massa die WM doch noch wegzuschnappen. Der völlig unschuldige Timo Glock befand sich danach nicht unbedingt auf dem Höhepunkt seiner Popularität in Brasilien. Knapp dreizehn Jahre später ist Lewis Hamilton siebenmaliger Weltmeister. Timo Glock (39) fährt immer noch erfolgreich Rennen, zuletzt als Gesamt-Fünfter und bester BMW-Pilot in der DTM 2020. Im Nebenjob sitzt er in der neuen Formel-1-Saison bei Sky als Co-Kommentator am Mikrofon. Im Interview blickt der Südhesse voraus auf die WM 2021.
Hallo Herr Glock, die Formel 1 legt wieder los – auf was freuen Sie sich denn ganz besonders?
Am meisten bin ich auf das deutsche Duo gespannt, auf Sebastian Vettel in neuen Farben. Und natürlich auf Mick, der mit dem Namen Schumacher viele Fans in Euphorie versetzt – den man aber nicht zu sehr unter Druck setzen darf. Startplatz sieben bei der Premiere, wie 1991 sein Vater im Jordan, ist im Haas unter normalen Umständen natürlich nicht zu schaffen.
Mick hat sich in der Formel 3 und der Formel 2 sehr fleißig und methodisch an die Spitze gearbeitet. Auf der Pole ist er in der Formel 2 aber nie gestanden. Fehlt es ihm am puren Speed, und könnte das zum Handicap werden?
Wenn dir der Speed fehlt, wirst du nicht Formel-2-Meister. Und zum Gewinnen gehört ja mehr als nur das schnelle Autofahren. Du musst das Auto mit deinem Team genau auf deinen Fahrstil abstimmen. Und das hat Mick nach einer Lernphase in beiden Serien perfekt hinbekommen. Er hat eine sehr gute Rennübersicht – und weiß genau, wo er überholen kann, und wo nicht. Mick ist für sein Alter schon extrem clever. Und mit Günther Steiner hat er einen Teamchef, von dem er viel lernen kann.
Was müsste passieren, dass Lewis Hamilton 2021 nicht zum achten Mal Weltmeister wird?
Am ehesten kann ihn sein Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas daran hindern. Er ist der Einzige, der im gleichen Auto sitzt.
Man hat oft das Gefühl, Hamilton ist mittlerweile mehr Influencer und Menschenrechtsaktivist als Rennfahrer. Aber sobald er im Auto sitzt, ist er brillant. Wie erleben Sie dieses Phänomen?
Ich kann nur den Hut vor ihm ziehen. Ich weiß es ja von mir selbst. Ich habe versucht, mich immer hundertprozentig auf die DTM zu konzentrieren, und mich nicht vom Fahren mit anderen Autos ablenken zu lassen. Aber dem Lewis ist das völlig wurscht. Der kommt von einem Promi-Event, steigt ins Auto, und fährt allen um die Ohren. Das ganze andere Zeug, das er macht, gibt ihm wahrscheinlich die Energie, die er braucht. Wenn er nur Rennfahrer wäre, wäre er vielleicht gar nicht so gut.
Spielt es für einen Hamilton noch eine Rolle, ob er nun sieben oder acht Mal Weltmeister ist?
Ich glaube, den WM-Rekord von Michael Schumacher zu übertreffen, ist noch mal eine große Motivation für ihn. Damit spielt er dann endgültig in einer ganz eigenen Liga.
Wer könnte ihm 2021 sonst noch gefährlich werden?
Da fällt mir nur Max Verstappen ein. Ich glaube nicht, dass Ferrari das Loch in der Kürze der Zeit stopfen kann. McLaren hat vom Auto her eine sehr gute Basis, und mit dem Mercedes-Motor könnte es noch weiter nach vorne gehen. Aber um das Werksteam zu schlagen, wird es noch nicht reichen.
Bevor wir zu Sebastian Vettel kommen – auf wen sollten die Fans 2021 noch besonders achten?
Auf jeden Fall auf Checo Perez. Mit zwei Topfahrern hat Red Bull viel bessere Chancen, Mercedes taktisch zu Fehlern zu zwingen. Und bei Ferrari muss es das Ziel sein, wenigstens wieder dritte Kraft zu werden.
Sonst fliegen die Spaghetti, wie es Niki Lauda mal ausgedrückt hat.
Absolut. Die können es sich nicht leisten, ein zweites Jahr hinterherzufahren und 2021 von vornherein zu opfern. Carlos Sainz ist für mich der Checo Perez von Ferrari. Wenn er nicht weit weg ist von Charles Leclerc, kann das ein herausragendes Duo werden.
Und dann gibt es noch Rückkehrer Alonso im Alpine – der mit bald 40 ein Jahr älter ist als Sie.
Er hat sich in seiner Formel-1-Pause ja mit allem fit gehalten, mit dem man schnell im Kreis fahren kann. Bei dem Kollegen muss man sich keine Gedanken machen, der wird flott unterwegs sein. Für mich wäre es natürlich ein Traum, ein Duell zwischen Hamilton und Alonso zu kommentieren.
Zu guter Letzt: Was trauen Sie Ihrem hessischen Landsmann Sebastian Vettel im Aston Martin zu? Für ihn ist es ja besonders wichtig, dass er sich in einem Team wohlfühlt.
Richtig. Ein zufriedener Vettel ist ein schneller Vettel. Das war bei ihm eigentlich immer der Fall – außer in seinem letzten Jahr bei Red Bull und in den letzten eineinhalb Jahren bei Ferrari. Er braucht als Fahrer dieses Vertrauen – und ein Auto, das zu seinem Fahrstil passt. Mit den Mercedes-Genen des Aston Martin sollte das perfekt passen. Und sein Team hat oft genug gezeigt, dass sie mehr draufhaben, als nur einen Mercedes zu kopieren.
Werden wir 2021 einen Vettel-Sieg erleben?
Wenn ein Rennen programmgemäß läuft, kann Aston Martin natürlich nicht mit Mercedes um den Sieg kämpfen. Aber wenn Checo Perez an einem ganz speziellen Tag im Racing Point gewinnt – dann kann das auch Seb im Aston Martin schaffen.
Interview: Jörg Heinrich