München – Soenke Lauterbach, 47, ist seit zwölf Jahren Chef der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V., internationale Bezeichnung: Fédération Équestre Nationale) mit Sitz in Warendorf, Nordrhein-Westfalen. Mit knapp 690 000 Mitgliedern ist die FN die größte Pferdesportvereinigung der Welt. Lauterbach stammt aus Bielefeld und ritt selber Dressur-Turniere bis zur schweren Klasse. Beim Telefon-Interview ist auch seine Pressesprecherin Julia Basic anwesend. „Damit ich keinen Unfug erzähle“, sagt Lauterbach. Trotz aller aktuellen Schwierigkeiten, scheint er gut gelaunt.
Herr Lauterbach, gerade in der Corona-Krise ist die FN für viele Menschen Ansprechpartner, wenn es um Fragen rund ums Pferd geht. Inwiefern hat der Verband hier überhaupt Einfluss auf die Entscheidungen der Politik?
Der war und ist gar nicht so schlecht, hat aber seine Grenzen. Unsere Arbeit hat gut funktioniert, vor allem wenn ich an die Anfangszeit im März 2020 denke, als der erste Lockdown kam. Da herrschte große Panik im ganzen Land: „Wie komme ich zu meinem Pferd und unter welchen Bedingungen?“ – das war verständlicherweise die große Sorge. Wir konnten im Bundeslandwirtschaftsministerium aber unsere Bedürfnisse und Anliegen gut darstellen, wobei es vor allem um das Pferdewohl ging. Wir haben also stets unter der Überschrift „Tierschutz“ arbeiten können.
Wie wichtig ist da der direkte Kontakt?
Ich erinnere mich gut an ein Telefonat mit der Staatssekretärin Beate Kasch. Sie hat sich gleich Zeit für uns genommen, wir hatten zuvor ein Argumentationspapier ausgearbeitet und ihr geschickt. Sie hat unsere Argumentation übernommen und dann in der Bundesländerkonferenz vorgeschlagen. .Sie hat zwar klar gesagt: „Das kann ich nicht entscheiden!“ Aber fast alle Bundesländer hatten das binnen weniger Tage in ihre Landesverordnungen eingearbeitet.
Welche Rolle spielten beim Krisen-Management die einzelnen Landesverbände: Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit Warendorf vorstellen?
Das hat sehr gut funktioniert. Gerade in dieser Zeit spielten unsere Landesverbände eine zentrale Rolle. Denn alles, was da entschieden wird, ist ja Ländersache. Nicht umsonst sitzt unsere Bundeskanzlerin immer mit den Ministerpräsidenten zusammen. Heißt: Wir brauchen die Landesverbände, denn die haben den direkten Kontakt zu ihren Landesregierungen und -ministerien.
Trotzdem hat die FN als Dachorganisation ganz andere Möglichkeiten als einzelne Landesverbände …
Das stimmt. Die FN hat zu Beginn der Krise die Arbeit in einzelnen Abteilungen komplett umgestellt. Wir haben fast nichts anderes mehr gemacht als Corona-Krisenmanagement. Unsere Mitarbeiter haben vorgedacht und etwa Leitfäden und Formulare entworfen. Dazu wäre der einzelne Landesverband in der Regel nicht in der Lage gewesen, schon aufgrund der fehlenden Manpower. Wir haben mit den Landesverbänden abgestimmt, ob sie mit unseren Vorlagen klarkommen.
Was hat die FN aus der Corona-Krise für ihre Arbeit gelernt?
Die Krise hat uns im Verband zusammengeschweißt, keine Frage. Wir haben bestimmte Arbeitsabläufe enorm beschleunigt, schon weil wir gemerkt haben, dass Videokonferenzen richtig gut funktionieren können (lacht). Da hat natürlich auch geholfen, dass wir nicht auf Veranstaltungen zu tun hatten – weil es eben keine Veranstaltungen gab.
Was konnte die FN für ihre Mitglieder konkret erreichen, was wäre ohne die Verbandsarbeit anderes gelaufen und wo hätte man sich seitens des Verbandes noch mehr erwartet?
In der zweiten Lockdownphase hatte ich erwartet, dass es so funktioniert wie im März/April, denn unsere Standpunkte und Argumente lagen ja bereits vor. Es war aber deutlich schwieriger mit den Bundesländern zu solchen Regelungen zurück zukommen.
Zum Beispiel?
Diesen Status zu erreichen, dass wir wieder in die Reithallen dürfen, hat seine Zeit gebraucht – aber gerade im Winter war das ja nicht unwichtig. Was unsere Arbeit anbelangt: Wir haben eine Kollegin, die seit einem Jahr sämtliche Förderprogramme durchforstet und das immer auf dem aktuellen Stand hält: Was gibt es, und wer kann was wie beantragen. Das ist natürlich nicht alles für den Pferdesport maßgeschneidert. Wir werben deshalb in Berlin auch dafür, dass es nicht nur eine Corona-Sporthilfe für die Mannschaftssportarten gibt. Denn auch unsere Veranstalter, die Agenturen, die Vereine – die leiden darunter.
Der Kontakt mit Politikern ist das eine, die Kommunikation des Erreichten an die FN-Mitglieder das andere. Welche Probleme treten hier mitunter auf?
Das ist eine Herausforderung, keine Frage. Das liegt auch daran, dass viele Leute nicht bereit sind, sich damit zu beschäftigen, was wir für sie aufbereitet haben. Es gab viele Anfragen, bei denen wir hätten sagen können: Wenn du zumindest die ersten 30 Zeilen unseres Internetauftritts gelesen hättest, dann bräuchtest du diese Frage nicht zu stellen. Damit haben wir zu kämpfen. Aber man muss auch sagen: Es haben sehr viele Leute gut mitgezogen und sich an die Vorschriften gehalten.
Vielleicht muss man aber auch die Kommunikationsstrategie der FN überdenken…
Selbstverständlich! Wir haben uns täglich hinterfragt. Und nicht umsonst haben wir damit angefangen mit Videobotschaften zu arbeiten, was prima funktioniert. Aber richtig ist auch: Unsere Texte waren relativ lang, weil nach und nach Detailfragen auftauchten, die durchaus berechtigt waren. Und die haben wir dann in unsere Infos eingearbeitet.
Mal von Corona abgesehen: Bei welchen Themen/in welchen Bereichen kann der Verband noch seinen Einfluss geltend machen?
Lauterbach: Wir können in Sachen Tierschutz und Pferdehaltung Einfluss nehmen, etwa bei der jetzt anstehenden Aktualisierung der „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“. Klar, das ist auch immer ein Kompromiss, wie wir im vergangenen Jahr bei der Überarbeitung der „Leitlinien für den Tierschutz im Pferdesport“ gesehen haben. Aber wenn man bedenkt, was da ohne uns reingekommen wäre…
Das wüssten wir jetzt gerne genauer…
Uns freut vor allem das klare Bekenntnis dazu, dass Pferde als unsere Sportpartner genutzt werden dürfen. Es gibt ja Menschen, die das in Frage stellen. Es wurde zum Beispiel anfangs auch vorgeschlagen, dass ein junges Pferd nicht allein, sondern nur mit einem vertrauten Pferd in einen neuen Stall wechseln dürfte. Da hätten sich einige Händler sicher gefreut…
Gibt es weitere Beispiele?
Nehmen Sie das Thema Pferdesteuer, wo wir eine gute Lobbyarbeit gemacht haben. Vier Kommunen hatten sie eingeführt, zwei sind schon wieder weg davon und eine weitere stand kurz vor der Einführung, was wir gemeinsam verhindern konnten. Da wird schon auf die FN gehört, weil wir eben auch gute Argumente mitbringen. Oder wir beschäftigen uns seit gut 30 Jahren mit Ausreitregelungen, damit Reiter weiter ausreiten können. Das ist leider nicht selbstverständlich. Nicht zu vergessen das Thema „Wolf“: Hier haben wir ja gerade ein richtiges Problem. Und da müssen wir natürlich Pferdeschutz und Wolfschutz unter einen Hut bringen.
Interview: Volker Camehn