Wenn Max Kruse ins Plaudern kommt

von Redaktion

Viele Sportler treffen sich in der Clubhouse-App – und (fast) jeder kann zuhören

VON GÜNTER KLEIN

München – Max Kruse war verletzt. Irgendwelche Regeln, wann er zu Bett zu gehen und zu schlafen hatte, gab es für ihn nicht. Also machte sich der Stürmerstar von Union Berlin auf in den „Girls Club“ – und Hunderte von Menschen konnten ihm dabei folgen.

Aber: Alles nur virtuell. Es war am 5. Februar dieses Jahres, das neue soziale Netzwerk „Clubhouse“ noch frisch. Und jeder wollte dabei sein, weil man hörte, auch Sportstars würden sich auf dieser Plattform tummeln. Wie eben Max Kruse. Der hatte Spaß daran, sich über Stunden – es wurden sieben (!) – im Gruppengespräch über, nun ja, amouröse Inhalte zu verlieren.

Nach gut zwei Monaten hat die Aufmerksamkeit für die neue App, die bislang nur mit dem Apple-Betriebssystem iOS, also auf iPhones läuft, nachgelassen. Dennoch hat das „Clubhouse“ schon einige Geschichten geschrieben: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow bekannte vor über 2000 Zuhörern (viele von ihnen Journalisten), dass er während langer Schalten mit den anderen Landesfürst(inn)en und der Bundeskanzlerin („Merkelchen“) beim Handyspiel „CandyCrush“ entspannt, Thomas Gottschalk machte eine ARD-Programmdirektorin rund, Comedian und TV-Talker Micky Beisenherz diskutierte über seinen missglückten Auftritt in der WDR-Show „Die letzte Instanz“, BR-Moderator Matthias Matuschik verarbeitete nächtens seinen Shitstorm, weil er eine koreanische Popband veralbert hatte – und es gab eben auch einige Sportlerrunden, die Resonanz fanden: Eine Plauderrunde mit Mats Hummels und Thomas Müller brachte immerhin die Nachricht, dass Hummels eine Nominierung für die Olympia-Mannschaft in Aussicht gestellt wurde.

Clubhouse ist ein Live-Talk. Ein „Room“ fasst bis zu 5000 Zuhörern. Jeder Clubhouse-User kann ein „Room“ starten und es moderieren. Wer zuhört, kann das Zeichen für „Hand heben“ betätigen, der Moderator ihn oder sie auf die Bühne holen. Die Technik funktoniert, und Clubhouse erhielt bislang auch viel Lob dafür, dass der Umgangston – anders als auf dem rau gewordenen Twitter – respektvoll ist. Ein direktes Gespräch hat eine andere Qualität als ein Hin-und-Her-Schreiben. Man muss sich mit Namen anmelden, kann sich nicht hinter einem Pseudonym verstecken. Max Kruse ist Max Kruse – einen Scherz hat er sich nur mit dem Profilbild erlaubt: Es ist ein Nutella-Glas.

Die Clubhouse-Regeln sind: Mitschneiden der Gespräche ist verboten. Eigentlich sollte, was im Clubhouse gesprochen wird, dort auch bleiben, doch mittlerweile hat es sich eingebürgert, dass aus relevanten Talks auch zitiert wird. Trotzdem: Gerade die prominenten Teilnehmer, einige von ihnen offensichtlich bewusst eingeladen, um den Start in Deutschland zu pushen, vermittel(te)n den Eindruck, sich wohl zu fühlen, weil sie den Raum für einigermaßen geschützt halten. Erstaunlicherweise haben sie sich auch nicht daran gestört, dass die Clubhouse-Reichweite – maximal 5000 können zuhören – sehr gering ist zu der, die sie auf Instagram oder sonstwo erzielen.

So trifft man hier und da noch immer auf Sport-Prominenz. Nicolas Kiefer (1100 Follower) talkt regelmäßig über Tennis. Maria Höfl-Riesch (793), Hilde Gerg (224), Martina Ertl (110), Marco Büchel (519) und Felix Neureuther (3000) bilanzierten die alpine Ski-WM, Ex-Fußballer David Odonkor (219) erzählte jungen Fußballern, die vom Profidasein träumen, davon, dass er sich jahrelang Schmerzmittel reinballerte, Olaf Thon (60) besprach mit der BR-Sportredaktion den Bundesliga-Spieltag, Peter Neururer (5100) ist leicht zu gewinnen, ebenso SPD-Politiker und Multi-Fan (FC Bayern, Bielefeld, TeBeBerlin) Kevin Kühnert (36.700 Follower). Doppelpass-Moderator Thomas Helmer (2300) talkt bei Clubhouse auch noch am Sonntagabend. Mit Hans Sarpei (2900). „Phantomas“ heißt ihr regelmäßiges Format, bei dem um die 100 Zuhörer dabei sind. Keine große Sache – aber das scheint nicht zu stören. Der Ringer-Star Frank Stäbler (57) oder Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler (259) erklärten auch schon geduldig und freundlich vor 15 bis 25 Teilnehmern ihre Sportart und erzählten aus ihrem Leben.

Was Clubhouse auf alle Fälle ist: Was für Nostalgiker. Es bringt einige „Fernsehnasen“ aus der Vergangenheit auf den Handybildschirm. Waldemar Hartmann, nun in Leipzig zu Hause, ist bei vielen Talks dabei – und nicht lange Zuhörer, denn er wird schnell auf die Gesprächsbühne gebeten. Und Rollo Fuhrmann, die Sky-Fieldreporter-Legende im Ruhestand, macht sich fast schon Stress mit seinen Clubhouse-Terminen. An Sonntagabenden muss er die von ihm geschätzte Erinnerungs-Runde „Sex and Drugs and Rock’n’Roll immer zeitig verlassen, weil er selbst ab 21 Uhr eine kleine Fußballshow aufgesetzt hat.

Wäre auch was für Max Kruse. Beides.

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