Boateng-Abschied beim FC Bayern

Bis zum Schluss eine Vernunftehe

von Redaktion

DANIEL MÜKSCH

Das Aus von Jerome Boateng beim FC Bayern leitete einer seiner schärfste Kritiker ein: Uli Hoeneß stellte als TV-Experte seinen persönlichen EM-Kader auf und nominierte Mats Hummels und Thomas Müller, nicht aber Müllers Bayern-Kollegen Jerome Boateng, den Dritten aus dem Aussortierten-Trio.

Ob die Aktion der wirklichen Überzeugung von Hoeneß entspricht oder er bereits mehr wusste und seinen Nachfolgern beim Rekordmeister unangenehme Fragen ersparen wollte – unklar. Auf jeden Fall passt das Ende von Boateng zu seiner kompletten Zeit in München. Eine große Liebe war diese Liaison nie. Sondern immer von Vernunft bestimmt. Von beiden Seiten.

Dass der mit Abstand beste deutsche Club auch den über Jahre mit Abstand stärksten deutschen Abwehrspieler in seinem Kader führt, steht für das Selbstverständnis beider Parteien. Sobald die Leistungen des 32-Jährigen jedoch schwankten, die privaten Schlagzeilen dominierten, kriselte es sofort in dieser Vernunftehe. Sportlich müsste es für so einen Fußballer auch nächste Saison einen Platz bei den Bayern geben: Boateng agiert zwar nicht mehr auf dem Ausnahmeniveau früherer Jahre, doch der Weltmeister von 2014 hat sich wieder zu einer festen Größe entwickelt. Das sieht auch sein Trainer so. Hansi Flick betont stets die Qualitäten seines Spielers. Hier droht der nächste Konflikt, da Flick anscheinend anders entschieden hätte. Ein kühler Aufsichtsratsbeschluss soll den Boateng-Abschied an ihm vorbei besiegelt haben.

Warum wurde Boateng nie ein inniger Teil der Bayern-Familie? Sicherlich haben ihm seine Aktivitäten abseits des Platzes dabei geschadet. Jedoch noch entscheidender: Bis zum Schluss hat er sich geweigert, das bayerische Lebensgefühl rund um die Säbener Straße aufzunehmen.

Er ist ein Berliner Junge geblieben mit extravaganter Mode; in seinem Hauptstadt-Kiez fühlt er sich wohler als mit Lederhose auf der Wiesn. Seine Urlaube verbrachte er in den USA und schmiedete Allianzen mit Hip-Hop-Mogul Jay-Z. Eine Welt, die vor allem der scheidenden Macher-Fraktion beim Rekordmeister äußerst fremd ist.

Womöglich ist Jerome Boateng einer der ersten Spieler, der im Stadion wieder mit Fans verabschiedet werden darf. Eine schöne Vorstellung. Sollten dabei Tränen fließen, wäre es eine genauso große Überraschung, wie Uli Hoeneß bei einem Jay-Z-Konzert anzutreffen.

Daniel.Mueksch@ovb.net

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