München – Eishockey-Torhüter sind stumme Wesen. Ihr Job in der schwersten aller Ausrüstungen ist zu anstrengend, um sich noch laut zu artikulieren. Am Dienstagabend in Berlin war aber ein lang gezogener Triumphschrei aus dem Münchner Kasten unüberhörbar. Kevin Reich, Keeper des EHC München, feierte sein Spiel: 5:0 bei den Eisbären, sein erster Shutout in dieser Saison.
„Es ist keine leichte Saison für mich“, sagte er. Bis vor zwei Wochen hatte der EHC eine Defensivkrise, und auch wenn man sagt, das Verteidigen beginne beim Forecheck der Stürmer, bleibt ein zu hoher Gegentorschnitt doch an den Verteidigern und am Torwart hängen. Daniel Fießinger hat seit einem verheerenden Spiel gegen Augsburg Anfang Januar keine Minute Einsatzzeit bekommen, doch Kevin Reich nutzte seinen Vorsprung in der Hierarchie auch nicht so recht. Und dann war Platzhirsch Danny Aus den Birken nach seiner Knieoperation wieder da.
Kevin Reich hat schon öfter sein Verhältnis zu Aus den Birken erklärt: Er hält ihn für einen großartigen Tormann, „aber ich will an ihm vorbeiziehen“. Er möchte es nicht aussitzen, bis der heute 36-Jährige seine Karriere beendet, sondern ihm in den Playoffs vorgezogen werden, solange Aus den Birken noch da ist. Doch die Statistik ist ein Indiz, dass Trainer Don Jackson in der „Crunchtime“, der Zeit der Entscheidungen, auf den Routinier, Mitglied der olympischen Silber-Nationalmannschaft von 2018, setzen wird: Aus den Birken hat er nach dessen Verletzungspause schon 15 DEL-Spiele gegeben, Reich, seit Saisonbeginn dabei, kommt auf 13.
Kevin Reich ist erst 25, doch eigentlich schon länger beim EHC München als der 2015 aus Köln geholte Aus den Birken. Mit 17 hatte Reich seinen ersten Punktspieleinsatz beim EHC, ein Desaster, das nur ein paar Minuten dauerte. Er sagt offen, dass ihm damals nicht nur die sportliche Reife fehlte, sondern er sich in seiner Jugend in diesem Team der Routiniers unwohl fühlte: „Ich wusste gar nicht, was ich am Tisch mit den älteren Spielern reden soll.“ München behielt ihn im Auge, ließ ihn aber drei Jahre in nordamerikanischen Juniorenligen Spielpraxis ansammeln. Und noch 2019 schickte man Reich gelegentlich mit Förderlizenz zum Partnerverein SC Riessersee in die Oberliga.
Nach dem 5:0 in Berlin, bei dem er den auf der Gegenseite postierten deutschen Nummer-eins-Torhüter Mathias Niederberger ausstach, erhielt Reich ein öffentliches Kompliment seines Trainers. „Großes Danke an Kevin Reich“, sagte Don Jackson, „es war herausragend, als wir ihn brauchten. Im letzten Drittel hat er 22 Schüsse gehalten.“ Das ist manchmal ein Torwartpensum für ein ganzes Spiel.