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von Redaktion

Hinspiel gegen PSG zeigt: Den Bayern fehlt aktuell der Killerinstinkt

VON JONAS AUSTERMANN

München – Die Statistik wies am Mittwochabend 31:6 Torschüsse zugunsten des FC Bayern aus – eine klare Kiste also? Weit gefehlt. Auf den Videoleinwänden der Allianz Arena leuchteten nach Abpfiff zwei Zahlen auf, die so gar nicht zum 90-minütigen Spektakel zuvor passen wollten. FC Bayern 2, Paris Saint-Germain 3. Thomas Müller sprach von fehlendem „Killerinstinkt“.

Die große Frage vor dem Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale am kommenden Dienstag ist: Wer soll die Bayern in Paris retten? Die Münchner sind mit 110 Treffern in Liga, Pokal und Champions League die Tormaschine Europas. 79 Bundesliga-Buden und 26 Kisten in der Königsklasse sind jeweils Bestwert. Jetzt folgt das große Aber: Mit Robert Lewandowski (40 Tore in Liga, Pokal und CL) und Serge Gnabry (10) fehlten im Hinspiel gegen PSG zwei der drei torgefährlichsten Bayern. Hinzu kam das frühe verletzungsbedingte Aus von Leon Goretzka (7 Treffer). Lewandowski und Gnabry fehlen auch in Paris sicher, bei Goretzka wird es ein Wettlauf gegen die Zeit.

Besonders bitter ist das, weil das Trio gemeinsam bislang für über die Hälfte aller Bayern-Treffer verantwortlich zeichnete. Die Spieler, die nun – neben Müller – in die Bresche springen müssten, heißen Leroy Sané und Kingsley Coman. Wahre Torjäger sind die beiden Flügelspieler aber eben nicht. Gegen PSG spielten Sané und Coman ihre Gegenspieler zwar teilweise schwindlig, es mangelte den beiden aber stets am richtigen Abschluss nach den Pirouetten.

„Wenn es 5:3 oder 6:3 ausgeht, kann sich auch niemand beschweren. Wir haben uns das Ei jetzt selbst ins Nest gelegt und müssen dem Rückstand hinterherlaufen“, meinte Müller bei Sky. Der Torschütze zum 2:2 hatte selbst zwei weitere gute Gelegenheiten ausgelassen. Hansi Flick erkannte an, dass PSG „sehr effizient“ gespielt habe, kritisierte aber auch: „Wir waren nicht ganz so entschlossen im Torabschluss.“

An der Zielsetzung Halbfinale rüttelt an der Säbener Straße freilich trotzdem niemand. „Daran ändert das Ergebnis heute nichts“, sagte Flick. 31 Torschüsse – so viele hatten die Münchner heuer nur einmal zuvor abgegeben. Und zwar beim 4:0 in Gelsenkirchen, wohlgemerkt beim völlig chancenlosen Tabellenletzten FC Schalke 04. Selbst beim 8:0 im Hinspiel gegen die Königsblauen waren es „nur“ 21 Versuche gewesen. Zu den 31 Torschüssen gegen Paris muss aber auch gesagt werden, dass nur zwölf – ein gutes Drittel – tatsächlich auf den Kasten flogen. Neun gingen daneben, zehn wurden geblockt. Bemüht man den statistischen Wert der „Expected Goals“ (zu Deutsch: erwartbare Tore), der die genaue Qualität einer Torchance bemisst und die daraus resultierende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgserlebnisses, hätte das Viertelfinal-Hinspiel übrigens in etwa 4:1 für die Bayern ausgehen müssen.

Hätte, wenn und wäre … Was aus Münchner Sicht bleibt, ist allerdings die positive Erkenntnis, dass man Wege und Mittel gefunden hat, um PSG mächtig wehzutun. „Wir werden alles geben, um dieses Spiel noch mal zu drehen. Wir wissen, dass Paris gerade in der Offensive eine sehr starke Mannschaft hat – das haben sie heute gezeigt. Trotzdem haben wir auch gesehen, wo sie verwundbar sind. Das wollen wir ausnutzen“, so Flick.

PSG-Coach Mauricio Pochettino meinte nach dem Hinspiel-Coup: „Es ist ein sehr positives Resultat für uns, aber es ist noch alles offen.“ Das sieht auch „Mister Weiter-immer-weiter“ so. Bayern-Vorstand Oliver Kahn erklärte: „So ist das im Fußball: Die Mannschaft hat sich nicht belohnt – und Paris war brutalst-effektiv. Aber wir sind Bayern München und es gibt noch ein Rückspiel.“ Die Münchner haben sich noch nicht aufgegeben.

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