München – Zwanzig Stunden war der FC Bayern in Schockstarre. Am Sonntag um 14 Uhr reagierte er. Schriftlich. Amtlich. Verärgert. „Der FC Bayern missbilligt die nun erfolgte einseitige Kommunikation durch Hansi Flick“, hieß es in einer Stellungnahme des Vorstands der FC Bayern AG, nachdem der Trainer in die Kommunikations-Offensive gegangen war.
Samstag, nach dem 3:2-Sieg der Bayern in Wolfsburg: Hansi Flick hatte nicht mehr dieses gräuliche Gestrüpp im Gesicht wie in den vergangenen Wochen, nur noch einen Schatten von Bart. Er hatte wieder das freundliche und offene Wunschschwiegersohn-Gesicht, als er die Kamerastationen abarbeitete: Sky, ARD, ZDF. Er errichtete keine von Genervtheit kündenden Nächste-Frage-Blockaden mehr, sondern löste die Rätsel um seine Zukunft.
„Ich möchte gerne am Saisonende raus aus meinem Vertrag, das ist Fakt.“ Nach dem Aus in der Champions League in Paris habe er diese Entscheidung getroffen und sie dann auch dem Verein mitgeteilt. Nach Schlusspfiff in Wolfsburg informierte er in der Kabine „meine Mannschaft“. Er wollte nicht, dass die Spieler es „aus dem Flurfunk“ erfahren. Er ist ihr Trainer, er ist es gerne, nach wie vor, er spricht von Begeisterung. Er fühlt sich auch weiterhin dem FC Bayern verbunden, „bei dem ich meine erfolgreichste Zeit hatte als Spieler und jetzt als Trainer“.
Warum er gehen will, weiß jeder, Flick muss den Namen von Sportvorstand Hasan Salihamidzic nicht nennen und die Zögerlichkeit der Vereinsgranden, sich in diesem Streit aus seiner Sicht sachdienlich zu positionieren, nicht erörtern – er kann sich gentlemanlike darauf beziehen, dass das Interna seien und er sie nicht nach draußen tragen werde. Flick bewahrt Stil.
Ihm ist bewusst, dass die Entscheidungshoheit über die Auflösung seines bis 2023 laufenden Vertrags ohne Ausstiegsklausel der FC Bayern AG obliegt. Flick sagt: „Die Zukunft ist überhaupt nicht klar.“ Mit dem DFB, für den er gewiss der Bundestrainer-Topkandidat wäre, „gab es noch kein Gespräch, was das betrifft. Ich muss jetzt erst alles verdauen, für mich waren die letzten Wochen auch nicht ganz easy.“ Die Bayern können Ablöse für Hansi Flick verlangen, was einen reibungslosen Wechsel zum Verband nach Frankfurt verkomplizieren würde. Am Sonntagnachmittag setzte der FC Bayern dann auch zum Konter an, sprach von „vereinbarten Gesprächen“, die man führen wolle. Darauf habe man sich verständigt: Erst die englische Woche hinter sich bringen, bis nach dem Spiel in Mainz warten.
Hansi Flick wirkte am Samstag erst einmal erleichtert. Er hat für sich den Weg aus einer Situation gefunden, die ihn belastete. Es ist ja nicht so, dass Trennungsentscheidungen kein Bestandteil seiner Biografie wären. Als Spieler kündigte er 1990 seinen Vertrag, obwohl sein Lehrmeister und heutiger Freund Jupp Heynckes Bayern-Trainer war – zu oft waren Aufstellungsentscheidungen gegen ihn gefallen. 2017 warf er als Sportdirektor beim DFB hin, weil es ihn zermürbte, dass er in der föderalen Verbandsstruktur Veränderungsprozesse nicht durchbrachte. In Hoffenheim endete seine Tätigkeit im Management nach einem halben Jahr (2018), da Peter Görlich, einer der beiden vorhandenen Geschäftsführer, nichts von seinem Verantwortungsbereich abgeben wollte und Flick auflaufen ließ.
Als extrem ehrgeizig und durchaus durchsetzungsfähig beschreiben ihn Weggefährten – doch sich an Schlammschlachten zu beteiligen, entspräche nicht Flicks Naturell. Dass er zu Hasan Salihamidzic kürzlich „Halt endlich dein Maul“ sagte, ist der Gipfel der Flickschen Beleidigungs-Historie. Flick agiert still und verbindlich. Jogi Löw, der Noch-Bundestrainer, beschreibt seinen langjährigen Assistenten als Teamarbeiter, als „denjenigen, der alle vereint hat, Trainer, Spieler und Betreuer. Es ist nichts Gekünsteltes an ihm, er muss nicht laut werden, um gehört zu werden.“
Der FC Bayern hat Flick trotz seiner Erfolge womöglich ein letztes Mal unterschätzt, Karl-Heinz Rummenigges Bruder Michael schrieb noch am Samstag in einer Zeitungskolumne, er sei sicher: Flick bleibe, denn Kalle habe sich das in den Kopf gesetzt.