Der Schattenmann des FC Bayern tritt in die erste Reihe. Michael Gerlinger, 48, ist neuer Vizepräsident der europäischen Clubvereinigung ECA und damit erster Vertreter von PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi. Der öffentlich unscheinbare Gerlinger fungiert beim Rekordmeister als Direktor Recht, Personal und Institutionelle Beziehungen. Wir stellen Bayerns Mann für alle Notfälle vor.
Seit Oktober 2005 arbeitet der Jurist, Fachgebiet Sport- und Medienrecht, für den FC Bayern. Eine FCB-Karriere im zweiten Anlauf. Gerlinger promovierte an der Uni Tübingen, schloss anschließend noch einen Master-Studiengang der FIFA ab. Davon profitiert der Mann, der sich selbst als „halb Schwabe, halb Kurpfälzer“ bezeichnet. Während seines Studiums beim Weltverband knüpfte er wichtige Kontakte bei FIFA und UEFA. Der FC Bayern hatte Gerlingers Initiativbewerbung zunächst abgelehnt. Er heuerte bei der Münchner Anwaltskanzlei Taylor Wessing an, betreute dort Bayer Leverkusen. Später kamen Mandate für die FIFA oder den FCB hinzu. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bot ihm schließlich einen Posten an.
Mit seiner Anstellung ging 2005 die Gründung einer Rechtsabteilung einher, die damals kaum ein Bundesligist hatte. Gerlinger kümmerte sich anfangs u.a. um den Ticket-Schwarzmarkt, Verbandsrecht und war gefragt, wenn ein Profi aus FCB-Sicht zu lange gesperrt wurde. Im Verein wurde er immer wichtiger, der Jurist überprüft Pressemitteilungen und ist gefragt, wenn Transfers verhandelt werden. Ein Sonderlob verdiente er sich 2012, als er den Wechsel von Javi Martínez mit stemmte. In jüngerer Vergangenheit bildete Gerlinger mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Chefscout Marco Neppe häufiger eine Reisegruppe. Sie tüteten etwa die Transfers von Alphonso Davies und Benjamin Pavard ein. Da half es ungemein, dass Gerlinger fließend Französisch spricht. Der Sportrechtler hatte die Gründung der ECA 2008 mit auf den Weg gebracht, beerbte Rummenigge dort 2017 als Vertreter des FC Bayern. Jetzt rückte Gerlinger in die Führungsriege der ECA auf – und das kurioserweise im Kampf gegen die Super League. Denn: Laut Spiegel sollen der FCB und Gerlinger 2016 treibende Kräfte bei der Planung einer Super League gewesen sein. Gerlinger sagte dem NDR damals: „Der FC Bayern war nicht an der Spitze bei der Planung.“ JONAS AUSTERMANN