Nyon/München – Das Zittern um München hat ein Ende. Die heikle Fan-Frage bleibt aber bis zum EM-Anpfiff gegen Weltmeister Frankreich ein großes Politikum. Joachim Löw bekommt zum Abschluss seiner Bundestrainer-Ära drei EM-Heimspiele in der Allianz Arena – und die sollen durch den unerbittlichen Druck der UEFA trotz Corona-Krise sogar vor mindestens 14 500 Fans stattfinden. Das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union mit Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge als neuem Mitglied verzichtete dafür am Freitag auf einen bis zuletzt befürchteten EM-Entzug für die bayerische Landeshauptstadt.
Das politische Ringen in der emotionalen Zuschauer-Frage ist damit aber nur sieben Wochen vor dem Turnierbeginn noch lange nicht beendet. In ihrer Interpretation zu dem Fan-Beschluss lagen UEFA, deutsche Politik und Deutscher Fußball-Bund nämlich immer noch sehr weit auseinander. Zu brisant ist die Frage in den unverändert harten Pandemie-Zeiten. „Alles ist vorbehaltlich der pandemischen Lage“, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) in München und widersprach damit der klaren UEFA-Aussage einer fixen Zuschauer-Entscheidung.
„Das UEFA-Exekutivkomitee ist heute per Videokonferenz zusammengetreten und wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass die zuständigen Behörden die Durchführung aller vier Partien der UEFA EURO 2020 in München mit mindestens 14 500 Zuschauern genehmigt haben, weshalb die Stadt als Austragungsort bestätigt wurde“, hieß es hingegen in einer klar formulierten Verbandsmitteilung.
Auch aus Berlin kamen diesem Duktus widersprechende relativierende Äußerungen. „Es wird erst vom Infektionsgeschehen abhängig gemacht werden können, ob die Möglichkeit besteht, Zuschauer ins Stadion einzulassen oder nicht“, sagte kurz vor der Entscheidung der UEFA ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
In UEFA-Hauptsitz in Nyon wurde das Thema aber im eigenen Sinne für erledigt erachtet. Sonst hätte München kaum grünes Licht bekommen und hätte wie Dublin und Bilbao eine Absage einstecken müssen. In beiden Lagern wird auf Zeit gespielt.
„Wir haben intensiv mit den Ausrichterverbänden und den lokalen Behörden zusammengearbeitet, um ein sicheres und festliches Umfeld bei den Spielen zu gewährleisten, und ich freue mich sehr, dass wir die Zuschauer bei allen Spielen zu einer Feier des Nationalmannschaftsfußballs auf dem gesamten Kontinent begrüßen können“, so UEFA-Präsident Ceferin.
Den erfreut klingenden Worten des Verbandschefs waren monatelange, knallharte Verhandlungen unter dem UEFA-Diktat einer Fan-Erlaubnis vorausgegangen. Die Drohkulisse eines EM-Entzugs zeigte letztlich Wirkung – obwohl in Deutschland die Pandemie-Restriktionen in anderen Lebensbereichen nicht aufgeweicht werden. Ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt sollen im Sommer nun erstmals in diesem Jahr wieder Fans bei einem wichtigen Spiel dabei sein können – sofern die Bedenken der Politiker nicht doch zum Tragen kommen.
Der DFB hatte beim eigenen Pokalfinale am 13. Mai in Berlin Zuschauer ausgeschlossen und muss sich nun zwischen den sich widersprechenden Positionen verorten. Man werde die EM-Spiele in München „weiterhin sorgfältig und verantwortungsvoll vorbereiten und organisieren“, sagte Philipp Lahm, der auch Cheforganisator der EM 2024 in Deutschland ist. „Corona bestimmt unser komplettes Leben. Die Gesundheit und der Schutz der Menschen haben für uns höchste Priorität“, betonte Lahm.
Fünf Tage nach dem Einzug ins Team-Camp in Herzogenaurach beginnt für die Nationalmannschaft mit dem Kracher gegen Frankreich am 15. Juni das Turnier. 186 Kilometer liegen zwischen Wohn- und Spielort des DFB, statt der 1000 Kilometer im als Ersatzort gehandelten Londoner Wembley Stadion. Ein Vorteil für Löw, auch bei den Gruppenspielen gegen Europameister Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni). „Auch für die weiteren Planungen aus Sicht der Nationalmannschaft ist es natürlich ein gutes Signal, dass München EM-Standort bleibt.“ Man spiele „gewissermaßen vor der Haustür“, sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff.
Auch das Viertelfinale am 2. Juli wird in München stattfinden. Die DFB-Elf würde aber nur in einer von zwei möglichen Konstellationen als Gruppendritter zu einem Spiel nach München zurückkehren. dpa