Köln – Mit dem Mut der Verzweiflung griff Pavel Gross tief in die Trickkiste. Gut zehn Minuten vor dem Ende des Schlussdrittels holte der Meistertrainer der Adler Mannheim den Torhüter im Showdown gegen die Straubing Tigers vom Eis, in Überzahl, beim Stand von 0:3. „Wir hatten da nichts zu verlieren“, erklärte Gross, nachdem sein Plan aufgegangen und der Titelverteidiger auch dank seines Kniffs ins Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) eingezogen war.
Mit 4:3 (0:2, 0:1, 3:0, 1:0) nach Verlängerung setzten sich die Mannheimer dank einer spektakulären Aufholjagd im entscheidenden dritten Viertelfinalspiel durch. In der Vorschlussrunde geht es schon ab diesem Montag gegen die Grizzlys Wolfsburg, die ebenfalls in die Overtime mussten und ihre Serie durch ein 3:2 (1:0, 1:1, 0:1, 1:0) bei den Fischtown Pinguins in Bremerhaven gewannen. „Das ist mega. Das ist Eishockey“, meinte Wolfsburger Sportdirektor Karl-Heinz Fliegauf: „Das war so ein richtiges Höllental.“
Dass die Adler weiter dabei sind, ist ein kleines Wunder. Durch die Herausnahme von Goalie Dennis Endras bekam Mannheim eine 6:4-Überzahl, Sinan Akdag (50.) nutzte sie – und Gross nahm nach der nächsten Strafzeit für die Straubinger wieder Endras runter. Brendan Shinnimin (52.) traf zum 2:3, Thomas Larkin (55.) glich bei gleicher Mannstärke zum 3:3 aus. Für den „sudden death“ sorgte Nico Krämmer (71.). „Wir mussten irgendwie ein Momentum kreieren, und manchmal ist es ein Check und manchmal halt ein 6 gegen 4 in dieser Zeit“, sagte Gross.
Der 52-Jährige wollte für seine Idee kein Lob. „Das Genie ist da nicht der Coach, das Genie ist die Mannschaft“, betonte Gross. Krämmer, der den Puck beim Siegtor mit dem Schienbeinschoner in den Kasten abfälschte, meinte: „Schade, dass die Fans nicht dabei waren. Es ist ein unbegreifliches Gefühl.“ Zudem merkte er an: „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dieses Spiel gedreht zu haben. Das zeigt den Charakter dieser Mannschaft. Wir wollten nicht, dass es vorbei ist.“
Die Straubinger verließen unterdessen geknickt die Halle. Trainer Tom Pokel meinte jedoch: „Wir haben alles gegeben und alles auf dem Eis gelassen. Wir müssen uns nicht verstecken. Ich bin nur stolz. Ich kann nur meinen Hut ziehen vor unseren Jungs und dieser Saison.“
Auch die Eisbären Berlin machten es spannend, nach einem 0:2 drehte der Favorit auf und setzte sich gegen die Iserlohn Roosters mit 5:3 (0:2, 4:1, 1:0) durch. Es geht für den Hauptstadtklub nun gegen den ERC Ingolstadt, der Titelkandidat EHC Red Bull München überraschend mit 2:0 in der Best-of-three-Serie ausgeschaltet hatte.
Nach dem verpatzten ersten Drittel hatte es bei den Berlinern Redebedarf gegeben. „Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich entspannen und zurück zur Arbeit zu gehen. Sie waren ein bisschen schüchtern“, sagte Trainer Serge Aubin über seine Schützlinge.
Stürmer Matt White, der dreimal traf (21./30./32.), erwartet gegen Ingolstadt „eine enge Serie“. Verteidiger Ryan McKiernan sieht es genauso: „Die Partien werden wieder sehr hart und körperbetont.“ Gross rückt in Mannheim „die Regeneration in den Fokus. Die Serie gegen Straubing hat Kraft gekostet. Wolfsburg ist eine gefährliche Mannschaft.“ sid