München – Sein Spitzname klang furchterregend. Und er kündete von urgewaltiger Wucht. Bulle. Die Bezeichnung war so treffend, dass sie den Vornamen ersetzte. Aus Franz wurde Bulle. Bulle Roth. Für ganz Fußballdeutschland war der Bulle ein Begriff. Er stand für unbändige Offensivkraft. Die Schüsse des Bullen konnten sogar Tornetze zerreißen.
Franz „Bulle“ Roth, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist eine feste Größe gewesen im Münchner Fußball. Er stürmte für den FC Bayern – und das in großer Zeit. Der gebürtige Memminger wirkte schussgewaltig mit, als die Roten begannen, sich in einen Weltclub zu verwandeln, die ersten großen Titel gewannen, die heute noch das Fundament für den Branchenriesen FC Bayern München bilden. Und Roth spielte dabei mehrfach eine spielentscheidende Rolle. Er war der Mann für historische Tore. Dreimal traf er in europäischen Finals zum 1:0 – alles Treffer, die Gold wert waren.
Seine Premiere als zielsicherer Endspielspezialist gab Roth anno 1968. Europacup der Pokalsieger in Nürnberg, Gegner waren die Glasgow Rangers, in der Verlängerung lupfte Roth im Rückwärtsfallen den Ball spektakulär über den schottischen Keeper, ein für Roth eher untypischer Kunstschuss. Beim 1:0 blieb es, erstmals in ihrer Klubgeschichte errangen die Bayern eine europäische Trophäe – Roth war der Held.
Der zweite Streich folgte 1975. Landesmeister-Endspiel in Paris, der Gegner Leeds United setzte die Münchner Titelverteidiger gewaltig unter Druck, Torhüter Sepp Maier verhinderte mehrmals einen Rückstand, in der 72. Minute zog Roth mit links ab. 1:0 – die bis dahin so überlegenen Engländer wirkten, als hätte sie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Wieder hatte der Bulle folgenschwer zugeschlagen. Gerd Müller erhöhte noch auf 2:0, die englischen Fans zertrümmerten nach dem Schlusspfiff die Sitzschalen im Prinzenpark-Stadions.
Im Jahr darauf dominierte im Endspiel der Landesmeister in Glasgow wieder der Gegner. St. Etienne traf zweimal den Pfosten, Roth (57.) hämmerte die Kugel per Freistoß zum 1:0 ins Tor. Der erneut glückliche Sieg bescherte den dritten Europacup im Landesmeister-Wettbewerb in Folge, es sollte der letzte bis 2001 bleiben.
Roth sagt heute rückblickend: „In vier Endspielen dreimal das 1:0 geschossen, das gib’s nicht noch mal. Das hat Ronaldo nicht geschafft, Messi nicht, das ist keinem gelungen.“
Und trotzdem hat Franz Roth in seinen zwölf Münchner Jahren (1966 bis 1978) immer etwas im Schatten seiner noch berühmteren Mitspieler gestanden. Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, Paul Breitner, Uli Hoeneß. Das lag wohl auch daran, dass er in der Nationalmannschaft nicht den Durchbruch schaffte und nur vier Länderspiele bestritt.
Für Roth kein Problem. Er bestritt 322 Bundesligapartien (72 Tore) für den FC Bayern, erlebte eine glorreiche Ära. Nach seiner Karriere gründete er seine berufliche Existenz auf zwei Sportgeschäften. Das in seinem Wohnort Marktoberdorf führt sein Sohn Claus fort, das andere Bad Wörishofen gab er vor drei Jahren auf.
Seinen Humor hat Roth sich bis heute bewahrt, auch seine Fitness – und den Stolz auf seine Zeit als gefürchteter Mittelfeldkanonier. Wenn sich Franz Roth heute jemandem vorstellt, sagt er immer noch: „Ich bin der Bulle.“