München – Die Tennisstars auf der Anlage am Aumeister zu finden, ist 2021 nicht einfach. Überall gibt es Bereiche, die nur für Athleten nebst Anhang vorbehalten sind. Profi-Sport in der Pandemie. Doch es gibt eine Ausnahme: Jan-Lennard Struff. Will man die deutsche Nummer zwei treffen, muss man den Spielplatz der Anlage im Auge behalten. Hierhin zieht er sich mit seiner Freundin und Sohn Henri gerne zurück. Zwischen Tennis, Hotel und Spielplatz hat sich der 31-Jährige exklusiv für unsere Zeitung Zeit für ein Gespräch genommen.
Herr Struff, ein gutes Jahr leben wir jetzt mit der Pandemie. Wie fällt Ihr Fazit als Sportler aus?
Ausbaufähig. Ich habe in New York ganz gut angefangen. Aber danach war ich nicht so zufrieden. Vor der Pandemie habe ich besser gespielt.
Anfang des Jahres in Australien konnten Sie schon wieder Freiheit genießen. Was war das für ein Gefühl?
Reizüberflutung würde ich sagen. Das war gigantisch. Man hat gespürt, wie toll das Leben ist.
Von der Freiheit Australiens dann wieder zurück in den Lockdown. Wie verhindern Sie mentale Tiefs?
Das kann man nicht. Man fühlt sich jede Woche schon ziemlich eingesperrt, fast wie in einem Gefängnis. Anders kann man es nicht sagen. Man muss in dieser Zeit noch mehr seine Auszeiten finden. Ich bin zum Beispiel über jeden Tag froh, den ich mit meiner Familie verbringen kann. Hier sind wir gemeinsam in die Blase gegangen. Dadurch dürfen wir gemeinsam eine Stunde am Tag raus. Nicht viel, aber immerhin.
In diesem Jahr warten allerdings große Aufgaben. Der erste Turniersieg oder eine olympische Medaille. Was wählen Sie?
Da entscheide ich mich für die olympische Medaille. Olympia ist etwas ganz Besonderes. Damit bin ich aufgewachsen und Rio 2016 war eine supertolle Erfahrung.
Tokio wird anders.
Stimmt. Sehr schade, dass wir schon einen Tag nach der Eröffnungsfeier anfangen. Somit bleibt kaum Zeit, um sich andere Wettkämpfe anzuschauen. In Rio war ich beim Beachvolleyball und Schwimmen dabei – das war top.
Planen Sie das auch für Japan?
Nein, das werden wir auch gar nicht dürfen. Wir müssen ein oder zwei Tage nach dem Ausscheiden wieder abreisen.
Nach Ihrem Erstrundensieg wurden Sie auf ihr Karriereende angesprochen. Ein Thema für Sie?
Schon. Man muss sich vor Augen führen, dass der Profi-Sport endlich ist. Dagegen kann man nix machen.
Gibt es Pläne für die Zeit nach der Tennis-Laufbahn?
Ich mache mir schon meine Gedanken. Lange fand ich es interessant, für zwei, drei Jahre als College-Trainer in die USA zu gehen. Das finde ich auch immer noch, nur als Vater habe ich mich dagegen entschieden, in die USA zu gehen.
Aber bleiben Sie dem Sport erhalten?
Das denke ich schon. Dafür ist der Sport einfach eine zu große Leidenschaft von mir. Den gesamten Fitnessbereich finde ich beispielsweise spannend. Am Anfang will ich allerdings auch erst einmal ein wenig reisen, wenn das irgendwann wieder möglich ist. Ich bin in meiner Tennislaufbahn zwar extrem viel gereist, habe aber nicht viel von der Welt gesehen.
War die Überzeugungsarbeit bei Alexander Zverev für einen Davis-Cup-Auftritt erfolgreich?
Noch nicht. Aber ich werde auf jeden Fall noch mal mit ihm reden. Als Mannschaft sind wir mit ihm erheblich stärker, keine Frage.
Die Kritik am Davis Cup in neuer Form scheinen Sie nicht zu teilen?
Ich kann die Argumente für die Veränderungen schon nachvollziehen, und der größte Fan der Reform bin ich ebenfalls nicht. Für mich ist es einfach einmalig für Deutschland, mein Land, spielen zu dürfen. Dieses Gefühl überstrahlt alle kritischen Punkte.
Interview: Daniel Müksch