Abenteurer unter Wasser

von Redaktion

Der Münchner Achim Schlöffel lebt seit über 40 Jahren für den Tauchsport

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Achim Schlöffels Glück begann mit einem Unfall. Im Urlaub auf Griechenland wurde der damals Siebenjährige von einem Boot angefahren. Der Kapitän hatte ein schlechtes Gewissen und fragte, wie er es wiedergutmachen könne: „Da habe ich das Equipment auf seinem Boot gesehen, er war ein ehemaliger Marinetaucher.“ Der Startschuss für eine erfolgreiche Karriere.

Über 10 000 Tauchgänge kann Achim Schlöffel (49) mittlerweile vorweisen. Und einen eigenen Verband. Seine Erlebnisse aus über drei Jahrzehnten unter Wasser hat der Münchner nun im Buch „Der Tod taucht mit“ festgehalten.

Als Jugendlicher wurde Schlöffel in die USA zu einem entfernten Verwandten geschickt, um wieder zur Vernunft zu kommen. Einige Tage zuvor hatte er Benzin über einen Papierberg aus Schulbüchern gekippt und angezündet. Ab diesem Zeitpunkt sollte Schlöffel keine Schule mehr von innen sehen. In Florida hatte er dann ohnehin andere Pläne. Schlöffel heuerte bei einem Tauchcenter an, schlief abends in einem verrosteten Chevy-Van. Das Erlebnis Tauchen war ihm jede Mühe wert.

Die Welt unter Wasser kann aber auch grausam sein. Das erlebte Schlöffel schon im Alter von 16 Jahren, als er in den Bergen Tirols in Höhlen tauchte. Zwei Mädels sagten ihm, dass ihre Freunde nun schon drei Stunden auf Tauchgang seien. Schlöffel startete sofort eine Rettungsmission, fand aber nur noch zwei leblose Körper, die er an seiner Seilrolle befestigte und an die Oberfläche brachte.

Seit 1996 arbeitet Schlöffel nun schon als Tauchlehrer, gründete 2008 den Verband Inner Space Explorers (ISE), der weltweit ausbildet. Um die Qualität des Tauchsports sorgt sich Schlöffel. Es sei mittlerweile ein Breitensport geworden: „Solange du Puls und eine Kreditkarte hast, kannst du den Kurs bestehen.“ In seinem Verband ist das anders, für die Kurse gelten unterschiedliche Fitnessvoraussetzungen, Raucher sind nicht willkommen.

Für Aufsehen sorgte Schlöffel 2012, als er durch den Ärmelkanal tauchte – als erster Mensch. Insgesamt acht Stunden war er unter Wasser, wurde durch Strömungen bis zu 10 Kilometer abgetrieben, das GPS-Gerät gab aufgrund des starken Wellengangs den Geist auf. „Die physische Belastung war extrem hoch. Ich wusste, dass ich aufgrund des Schiffsverkehrs nicht auftauchen darf. Jedes Problem muss unter Wasser gelöst werden.“ Und jeder Fehler kann mit dem Tod bestraft werden.

Muss das nicht ein unglaublich beklemmendes Gefühl sein? Angst, sagt Schlöffel, sei in unserer Kultur so negativ belegt. Angst diene doch als Sicherung, die wir in uns haben. Nur, wenn die Angst mal nachlässt, dann wäre das wirklich gefährlich. „Wäre ich bei meinen Expeditionen in den Panikmodus geraten, könnten wir das Gespräch heute nicht führen.“

Extreme Expeditionen spielen im Leben des Familienvaters heute keine Rolle mehr. Es reizt ihn viel mehr, nach unentdeckten Sachen zu tauchen. Im Starnberger See kenne er ohnehin jeden Stein beim Vornamen. Rund zwei Mal im Jahr sucht Schlöffel etwa auf der italienischen Insel Elba nach Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg. „Es ist wie eine Zeitreise und wird zur Droge, du kannst nicht mehr aufhören. Unter Wasser gibt es keine Steuererklärungen. Du kannst einfach mal abschalten. Es ist die Raumfahrt des kleinen Mannes.“

Aber auch bei seiner großen Leidenschaft wird er von den größten Problemen unserer Gesellschaft verfolgt. „Unter Wasser bekommst du deutlich vor Augen geführt, wie kaputt der Planet ist“, sagt Schlöffel. An Orten, an denen er seit über 20 Jahren taucht, merkt der Sportler, wie sehr die Verschmutzung durch Plastikmüll zugenommen hat. Ägypten sei beispielsweise früher so paradiesisch gewesen, „nun ist gefühlt alles blank gewetzt von Taucherhintern“. Der 49-Jährige arbeitet daran, dass die Taucher wieder mehr Empathie für die Schönheit der Unterwasserwelt aufbringen. Das vermittelt er nicht nur mit seinem Verband, sondern auch in der Familie. Seine achtjährigen Zwillingssöhne seien schon sehr wasseraffin, erzählt Schlöffel. Die nächste Generation steht bereit.

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