München – Profi-Tennis kann sehr brutal sein: Bekannt, gefeiert und reich ist nur die Spitze des globalen Zirkus. Manche sprechen von Platz 300 der Weltrangliste als Grenze, von der an man kein Geld mehr mit dem Sport verdient – sondern die Athleten sogar drauflegen müssen. Andere sehen die Grenze noch weiter vorne. Einig ist man sich, dass das Leben jenseits des Scheinwerferlichts von Rafael Nadal, Novak Djokovic und Alexander Zverev mühsam ist.
Bekannt und beliebt ist Dustin Brown. Schon allein durch seine Dreadlocks sticht er aus der Menge der vielen Schwiegersohn-Typen der Szene heraus. Verbunden mit seiner spektakulären Spielweise avancierte der Deutsche mit jamaikanischen Wurzeln zum Publikumsliebling. Nicht nur bei deutschen Fans. Unvergessen: sein Sieg gegen Rafael Nadal in der zweiten Runde von Wimbledon im Jahr 2015. Die Highlight-Videos sind noch heute ein Klickgarant im Internet. Wo die Ballkinder der BMW Open eine austauschbare Nummer 50 der Welt als Selfie-Partner ignorieren, steht ein Smartphone-Schnappschuss mit dem 36-Jährigen dagegen hoch im Kurs.
Und doch teilt Brown, aktuell Nummer 297 der Welt, das Schicksal der Kollegen in diesen Ranglistenregionen – er kämpft Woche für Woche um die Finanzierbarkeit seines Berufs. Wie er unserer Zeitung auf der Anlage am Aumeister verraten hat.
„Mit meiner aktuellen Ranglistenposition ist es nicht einfach, in die wenigen Turniere überhaupt reinzukommen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich überhaupt mal so wenig Tennis gespielt habe, wie in den letzten beiden Jahren“, erzählt Brown. Ihn trifft es gerade doppelt hart. Vor der Pandemie hatte er sich am Rücken verletzt und musste ein halbes Jahr pausieren. Als er gerade auf dem Weg zurück nach oben war, schlug die Pandemie mit voller Wucht zu. „Wenn ein Spieler bei Challenger-Turnieren nicht gerade mindestens das Halbfinale erreicht, macht er jede Woche ein Minus“, so der gebürtige Niedersachse zu seiner aktuellen Situation. Und je nach Meldeliste ist es für den Profi momentan fraglich, überhaupt in ein Hauptfeld der Challenger-Turniere zu gelangen.
Die Brocken hinzuwerfen und den Schläger an den Nagel zu hängen, kommt für ihn allerdings nicht infrage. Dafür liebe er den Sport zu sehr, sagt er. Auch sein Körper fühle sich wieder gut an und könne noch einige Jahre auf der Tour bestehen.
Allerdings will er versuchen, noch mehr im Doppel zu spielen. In München tritt er mit Lokalmatador Peter Gojowcyk an. „Vor zehn Jahren stand ich schon einmal auf Position 40 im Doppel. Da will ich wieder hin“, blickt der Ex-Davis-Cup-Spieler nach vorne.
Wie lukrativ dieser Plan sein kann, erkennt Brown an der Nummer eins im Doppel der BMW Open. Das ist Kevin Krawietz mit dem Niederländer Wesley Koolhof. Sein etatmäßiger Partner Andreas Mies, mit dem er zweimal den French-Open-Titel holen konnte, erholt sich von einer Knie-Operation. Auch Krawietz, einst als großes Talent im Einzel gehandelt, haderte mit dem Auskommen seines Profi-Lebens und entschied bewusst, sich auf das Doppel zu fokussieren: „Mit ihm habe ich viele Challenger im Einzel gespielt. Natürlich muss es nicht automatisch so perfekt laufen wie bei Kevin. Aber ich habe einen ähnlichen Plan im Kopf“, sagt der Serve-and-Volley-Spezialist Brown. Sollte er doch irgendwann die Brocken hinwerfen, will Brown dem Tennis dennoch erhalten bleiben: „Ich kenne kaum jemanden aus dem Tennis, der nicht im Tennis geblieben ist. Das ist unsere Ausbildung, unser Praktikum. Mit fünf Jahren habe ich mit Tennis angefangen, bin inzwischen seit 20 Jahren auf der Tour. Meine Leidenschaft für diesen Sport ist ungebrochen.“
Und hoffentlich kann Dustin Brown von dieser Leidenschaft auch schon bald wieder sorgenfrei leben.