Jesse Marsch im Anmarsch

Wie amerikanisch wird die Bundesliga?

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Der Fußball hierzulande und der amerikanische Einfluss – schwierig, schwierig. Da erinnern wir uns doch an Jürgen Klinsmann, der die Fitnessschulung der Nationalmannschaft einem Mister Mark Verstegen aus Florida anvertraute – als könnte man nicht selbst die Spieler zum Waldlauf schicken. Klinsmann wirkte auf manche ja selbst wie ein US-Boy, wenn er wieder Bilder um die Welt schickte, die ihn mit Laptop beim Starbucks in Huntington Beach zeigten. Als Bayern-Trainer schleuste er für ein paar Monate den in der Major League Soccer berühmten Landon Donovan ein – woraufhin Luca Toni fragte, ob demnächst auch sein Bruder mittrainieren dürfe, der sei gewiss nicht schlechter. Gut, amerikanische und ja auch kanadische Spieler sind im global gewordenen Fußball und daher in der Bundesliga mittlerweile keine Exoten mehr – wohl aber wären es Trainer. Einen haben wir ja schon, Pellegrino Matarazzo beim VfB Stuttgart. Er ist aber ein Sonderfall. Italienischer Name, Spieler in der deutschen Provinz. Der unbefangene Beobachter hält ihn gar für einen Schwaben.

Nächste Saison geht es richtig los mit der Amerikanisierung der Bundesliga: Leipzig tritt mit Jesse Marsch an, bei dem man hört, woher er stammt. Er klingt so wie amerikanische Korrespondenten, ehemalige US-Botschafter in Berlin oder Republicans Overseas, die gelegentlich in deutschen Talkshows sitzen. Er spricht dieses putzige, amerikanisch akzentuierte Deutsch, das kinderleicht zu parodieren ist. Wahrscheinlich werden wir Jesse Marsch, obwohl er für das fragwürdige Leipziger Modell steht, als Typen ganz okay und vielleicht sogar sympathisch finden.

Nichts dagegen einzuwenden aber, wenn er auch im Erfolgsfall nicht gleich eine Welle lostritt, dass jeder glaubt, einen Trainer von drüben haben zu müssen. Gefährlich für die Bundesliga wird’s nämlich, wenn jedes Wochenende nach Spielen zwei US-Trainer in einer Pressekonferenz sitzen und jeder dem anderen versichert, er habe ein „well prepared team“ mit „strong leadership“ und erledige einen „excellent job“ – das wäre dann Eishockey oder Basketball, das die Entwicklungshelfer aus Nordamerika längst übernommen haben.

Unser Fußball muss schon unamerikanisch bleiben. Jürgen Klinsmann nannte den Sechzehner schon mal „18-yards-box“, und das tat echt verdammt weh.

Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11