München – Egal mit wem das Thema Alexander Zverev in der vergangenen Woche zur Sprache kam – zu 99 Prozent fielen dabei lobende Worte. Der dritte Turniersieg nach 2017 und 2018 auf der Anlage des MTTC Iphitos schien für den Tennisstar daher nur eine Formsache zu sein. Auch Zverev selber machte die ersten Tage am Aumeister eine gute Figur. Seine Statements waren gut überlegt und nachvollziehbar. Gleichzeitig schreckte er nicht vor einer klaren Haltung zurück – wie bei seinem Anti-Davis-Cup-Kurs.
Alles wirkte wie ein kleiner Wellness-Urlaub mit der ganzen Familie. Auf dem Clubgelände saß Mama Zverev während des Trainings auf einer Bank neben dem Platz. Auf dem Platz scheuchte Papa Zverev die Söhne Alexander und Mischa. In den Pausen tollten die beiden Familienhunde auf dem Spielplatz um die Ecke. Und das Mittagessen nahm der Tennis-Clan auf sonnigen Club-Terrasse ein.
Auch sportlich war zunächst alles im Lot. Sein lange lädierter Ellbogen schmerzte nach eigenen Angaben und einer Eigenbluttherapie seit einigen Monaten erstmals überhaupt nicht mehr. Doch dann kam Ilja Iwaschka, Nummer 107 der Weltrangliste.
Der Weißrusse hatte sich über die Qualifikation ins Hauptfeld der BMW Open gekämpft. Im Viertelfinale sorgte er für die große Sensation des Turniers und warf den Topgesetzten Zverev raus. 7:6, 5:7 und 3:6 – so die nackten Zahlen der Niederlage aus Zverev-Sicht. Aber nicht das Ergebnis, sondern wie sich Zverev auf dem Center Court präsentierte, ließ den positiven Eindruck der ersten Tage binnen zwei Stunden und 33 Minuten einstürzen.
Gegen den 27-jährigen Weißrussen offenbarte Zverev genau die Schwächen, die ihm bisher Grand-Slam-Erfolge oder ein konstantes Top-3-Ranking verbauen.
Immer wieder fiel er weit hinter die Grundlinie und spielte den Ball nur rein. Hoffte auf Fehler seines Kontrahenten, anstatt selber das Heft in die Hand zu nehmen. Besonders bitter: Im dritten Satz verlor der Hamburger komplett seinen Aufschlag. Ein Doppelfehler folgte auf den nächsten. 14 Stück sollte die Statistik am Ende ausweisen. Nicht würdig für einen Profi mit den Ansprüchen und dem Talent eines Alexander Zverevs.
„Ich habe irgendwann meine Bewegung verloren und wusste nicht mehr, wie ich die Kugel ins Feld bringen sollte“, versuchte der 24-Jährige seine Aufschlag-Aussetzer nach der Partie zu erklären – und fügte zerknirscht hinzu: „Ich bin traurig und enttäuscht. Das war ein Match, das ich nie verlieren darf. Ich muss einfach anfangen, besser zu spielen.“
Dieses Vorhaben sollte besser schleunigst gelingen. Diese Woche startet er beim Masters in Madrid. Dort trifft Zverev bei seinem ersten Auftritt auf den Sieger der Partie Kei Nishikori oder Karen Khachanov. Egal ob es der Japaner oder der Russe wird: In der Form aus dem Viertelfinale in München sind beide Gegner sehr harter Brocken. Und Ende des Monats starten die French Open in Paris. Außer Rafael Nadal scheint momentan kaum ein Spieler unschlagbar. Eine große Chance für vielle Profis – aber nicht für den BMW-OPEN-Zverev.
Apropos Nadal: Zverev-Bezwinger Iwaschka konnte dem Sandplatz-Dominator vor seinem München-Trip in Barcelona einen Satz abnehmen. Ein Beleg, dass der Weißrusse beileibe kein Fallobst ist. Aber auch ein Beweis, dass zwischen Zverev und Nadal noch Welten liegen. Nadal wackelt, kämpft und gewinnt. Zverev wackelt, kämpft und fällt. Wie bei den BMW Open 2021. DANIEL MÜKSCH