Der hochbegabte Dirigent

von Redaktion

Bayern-Basketballer bauen auch im entscheidenden Spiel gegen Mailand auf Zan Mark Sisko

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Jetzt ist die Sensation greifbar. Das Orchester der Bayern-Basketballer flog bereits am Sonntagabend nach Mailand. In die Geburtsstadt des Dirigenten Andrea Trinchieri. Nach den ersten beiden Spielen in Italien reiste man mit einem Stand von 0:2 wieder heim. Viele Experten sahen das Playoff-Viertelfinale der Euroleague bereits als entschieden an. Aber nicht mit der Rockband, so beschrieb Trinchieri seine Mannschaft, die in dieser Saison fleißig durch Europa tourt, um gegen Teams mit einem deutlich höheren Etat zu gewinnen. Nach den beiden Duellen im Audi Dome ist die Serie wieder ausgeglichen, das entscheidende Spiel steigt heute um 20:45 Uhr bei Olimpia. Mit einem Sieg ziehen die Münchner in das Final Four – vom 28. bis 30. Mai in Köln – ein.

Spricht man über die erfolgreiche Saison der Bayern-Basketballer, spricht man, klar, über Trinchieri (dessen von der BBL nach dem Hamburg-Spiel verhängte Strafe über 2000 Euro gestern vom Schiedsgericht revidiert wurde). Bei den Spielern werden meist Vladimir Lucic, Jalen Reynolds oder auch Wade Baldwin zuerst genannt. Einer, der unter dem Radar fliegt, ist Zan Mark Sisko. Das liegt auch an der Spielweise des Slowenen. Wenn die Partie ruhig verläuft, die Bayern-Basketballer unaufgeregt ihre offensiven Spielzüge vortragen, dann hat Sisko alles richtig gemacht. „Ich will das Spiel organisieren, jede Sequenz kontrollieren“, sagt der Point Guard im Gespräch mit unserer Zeitung.

Als die Bayern 2019 die Verpflichtung von Sisko bekanntgaben, sprach Daniele Baiesi von einem „Projekt für die Zukunft.“ Der Neuzugang stand damals bereits seit längerer Zeit auf der Wunschliste des Sportdirektors.

Verständlich. In der osteuropäischen Adriatic League führte Sisko mit 9,9 Vorlagen pro Partie die Wertung an, stellte mit gleich 19 Assists in einem Spiel sogar einen neuen Rekord auf. Trinchieri, damals Trainer von Partizan Belgrad, sagte: „Ich habe am eigenen Leib gespürt, wie gut er sein kann.“

München ist die erste Station im Ausland für Sisko. Und natürlich brauchte der 23-jährige Eingewöhnungszeit. Letztes Jahr haben viele die Bayern belächelt und sich gefragt, warum sie mit so einem Spieler in die Saison starten. Jetzt lächeln die Bayern. Etwa nach dem dritten Spiel gegen Mailand, als Sisko gleich achtmal erfolgreich einen seiner Mannschaftskameraden bediente. „Sisko hat viel Ruhe ins Spiel gebracht, er spielt sehr abgeklärt für sein Alter“, sagte Paul Zipser. „Sisko ist ein purer Point Guard und ich finde, er passt perfekt zu Baldwin, denn sie sind komplett verschieden“, sagte Trinchieri. Was der italienische Basketball-Professor meint: Während Wade Baldwin mit seiner Athletik häufiger selbst zum Korb zieht oder den Abschluss aus der Distanz sucht, ist die oberste Priorität von Sisko, seine Spieler in Szene zu setzen.

Und das macht er trotz des jungen Alters mit einer beeindruckenden, ja fast schon stoischen Ruhe. Trinchieri nannte seinen Spielmacher einst „Rain Man“. In dem gleichnamigen Film von Barry Levinson spielt Dustin Hofmann einen hochbegabten Autisten. „Er redet nicht viel, aber er ist dennoch ein verdammt guter Basketballer“, sagte Trinchieri. Das liegt auch daran, dass der italienische Coach dem slowenischen Guard viel zutraut. „Er hat mir jetzt schon oft gezeigt, dass er mir vertraut. Auch in großen, wichtigen Spielen. Das gibt mir unheimlich viel Selbstvertrauen. Wir haben eine gute Chemie. Trinchieri ist ein schlauer Kerl, er kann mit jedem Charakter umgehen“, sagt Sisko.

Auch heute Abend wird der hochbegabte Dirigent wieder eine wichtige Rolle spielen. Er soll für Entlastung von Baldwin sorgen, in hitzigen Situationen aber auch selbst die Zügel anziehen und das Spiel mit seiner Übersicht wieder beruhigen. Sollten die Bayern siegen und damit zu den besten vier Teams in Europa gehören, darf der „Rain Man“ nicht länger in den Lobliedern vergessen werden.

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