„Wir sind mit Mick in den Flitterwochen“

von Redaktion

FORMEL 1 Haas-Teamchef Günther Steiner über die Saison mit zwei Neulingen im Cockpit

München – Sein Haas-Rennstall ist derzeit so etwas wie der Ausbildungsbetrieb der Formel 1. Mit Mick Schumacher und Nikita Mazepin schickt Günther Steiner in dieser Saison zwei Neulinge ins Rennen. Trotz des bislang schwachen Abschneidens hat der 56-Jährige Italiener mit den beiden alle Geduld, wie er im Interview erklärt.

Günther Steiner, hr Fazit nach drei Rennen als Schuldirektor des fliegenden Klassenzimmers?

(lacht): Danke für die neue Berufsbezeichnung! Eigentlich ziemlich gut. Es geht rauf und runter, aber das war zu erwarten. Es ist eben Ausbildung. Lehrjahre sind keine Herrenjahre für die Jungs. Ich sehe bei Mick, dass er auch im Rennen Fortschritte macht. Nikita in Imola auch, in Bahrain nicht, weil er in der ersten Runde ausgefallen ist (lacht). Das ist natürlich nicht fantastisch, kann aber passieren. Ich hoffe, wir machen jetzt weiter Fortschritte. Wir üben ja mit den Fahrern, was alles passieren kann. Aber zwischen Schule und Berufsleben ist immer noch ein Unterschied.

Mick Schumacher hat in den ersten beiden Rennen zwei kleine Fehler gemacht. Wie ist er damit umgegangen?

Sehr selbstkritisch. Aber in den ersten Rennen als Welpe gehört das dazu. Das sind Rookies! Mick geht da selbstkritisch mit um. Das ist gut, solange es nicht zu intensiv ist, denn man muss das richtige Maß finden, um den nächsten Schritt zu machen. Aber das kann er.

Sie sagten, Mick gehe auch ruhig mit schwierigen Situationen um. Was meinen Sie konkret?

Die Ruhe kommt daher, dass er sich technisch und mental sehr gut auf alles vorbereitet. Denn nervös wird man ja nur dann, wenn man in eine Situation kommt, mit der man nicht umgehen kann. Das wird er nie. Und wenn doch, zeigt er es nicht nach außen. Das Gute daran: Wenn er ruhig bleibt, bleiben alle um ihn herum auch ruhig. Dann kann auch er weitermachen, ohne vom Weg abzukommen. Wie nach dem Unfall in Imola. Er ist selbstkritisch, aber er schiebt keine Panik.

Wie hat er am Boxenfunk in Imola auf seinen Mauerkuss reagiert?

Er hat sich entschuldigt und dann ging es schon darum, wie wir ihn zum optimalen Zeitpunkt in die Box zur Reparatur lotsen können. Auch da blieb er sehr ruhig.

Sie haben Mick bereits als akribischen Arbeiter gerühmt. Was zeichnet ihn noch aus?

Er ist sehr diszipliniert, sehr motiviert, es gibt nichts, was er falsch macht. Er ist auch sehr interessiert. Ihm gefällt das Umfeld wirklich, was sehr schön ist.

Nikita Mazepin hat zwei noch schwerere Rennen hinter sich mit einem Unfall in Bahrain und diversen Drehern danach. Wie haben Sie ihn aufgebaut?

Ich sage dann: Kopf hoch! Und wir sprechen durch, was warum passiert ist und wie man aus so einer Situation rauskommt. Er strengt sich sehr an, und auch wenn Fehler passieren, muss man positiv bleiben und ihn motivieren. Wir sind ja erst beim dritten Rennen. Wir dürfen jetzt keine Panik machen.

In den sozialen Medien hat sich schon der Spitzname „MazeSpin“ etabliert. Spin bedeutet ja drehen, rotieren…

Das gehört dazu. Die sozialen Medien sind Fluch und Segen zugleich. Sie können dir helfen aber auch schaden. Deshalb darf man weder auf positive noch auf negative Reaktionen zu sehr hören, sondern einfach versuchen, einen guten oder besseren Job zu machen. Wir haben zwei Neulinge in unseren Autos und da braucht es Zeit, bis einer soweit ist, die Leitdaten zu geben, an denen sich der andere orientieren kann.

Mazepin hat sich allerdings schon beschwert, dass Mick Schumacher durch die Ferrari-Akademie und die dazugehörigen Simulator- und Testfahrten einen Vorteil hat…

Ich würde nicht sagen, dass er sich beschwert hat. Er hat es gesagt, weil es stimmt. Es ist für Mick bestimmt kein Nachteil, aber ich glaube auch nicht, dass es ein riesiger Vorteil ist, mit einem zwei Jahre alten Auto in Fiorano zu fahren… Es ist immer gut, im Auto zu sitzen. Aber wie viel es wirklich bringt, da sind schon noch Fragen offen. Simulator fahren hilft sicher. Nikita war auch im Simulator. Es hilft, Selbstvertrauen aufzubauen.

Sie konnten sich mittlerweile ein Bild von Mick Schumacher machen: Ist er ein zukünftiger Siegfahrer und Weltmeister?

Nach zwei Rennen würde ich mich zu diesen Aussagen nicht hinreißen lassen, auch wenn ich eigentlich sagen sollte: Na sicher! Ich möchte ihn noch etwas länger beobachten, kann aber schon sagen: Er hat sicher das Material, ein guter Formel-1-Fahrer zu werden. Um Weltmeister zu werden, musst du auch im richtigen Moment im richtigen Auto sitzen. Und jetzt zu sagen, er wird Weltmeister: Den Druck will und sollte ich nicht aufbauen. Dass er ein guter Rennfahrer ist, hat er bewiesen, auch in der Formel 3 und Formel 2. Ob er ein Champion wird? Zu früh zu sagen. Im Moment sind wir in den Flitterwochen. Alles ist schön und alles ist gut.

Flitterwochen ist ein gutes Stichwort: Sie sind ja sowohl mit Ferrari als auch mit Mazepins Sponsor Uralkali liiert. Inwiefern nehmen beide Einfluss?

Zu managen ist das am einfachsten, wenn man ehrlich ist, beiden die gleichen Voraussetzungen gibt und das auch nachweisen kann. Nachfragen wird es immer geben. Und jeder Fahrer glaubt auch immer, er wird benachteiligt. Und wenn man wirklich mal nur ein neues Teil für einen Fahrer dabei hat, muss man das offen und ehrlich kommunizieren. Das ist mein Weg.

Zuletzt stand erneut ein Verkauf des Teams an Uralkali im Raum.

Das sind Gerüchte, die jeglicher Grundlage entbehren. Haas gehört immer noch Herrn Haas und das wird auch so bleiben.

Interview: Ralf Bach

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