München – Er ist seit einiger Zeit wieder regelmäßiger Beobachter und Begleiter des Geschehens bei den Basketballern des FC Bayern. Und Svetislav Pesic wird wohl auch dabei sein, wenn sein Ex-Club am Samstag (16 Uhr/MagentaSport) gegen ratiopharm Ulm um den Einzug ins Pokalfinale kämpft. Die Entwicklung der Münchner verfolgt der 71-Jährige auch mit Stolz – auch er habe durch seine vier Jahre im Audi Dome seinen Anteil gehabt.
Nach der Euroleague warten nun die Entscheidungen im Pokal und der Bundesliga auf den FC Bayern. Ist der Druck auf den Club gewachsen?
Als FC Bayern hast du immer Druck. Aber klar wäre es jetzt auch besonders wichtig. Am Ende wirst du einfach immer an Titeln gemessen.
Immerhin steht der Club in diesem Jahr als Nummer fünf der Euroleague da.
Ja, und es war ein bisschen schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat. Bayern hat in zwei Spielen in Mailand die Chance gehabt, zu gewinnen und sich fürs Finale zu qualifizieren. In der ganzen Serie hat Bayern mehr gezeigt als Mailand. So eine Chance kriegst du nicht jeden Tag. Aber vielleicht hat es auch eine gute Seite.
Welche?
Na ja, Bayern hat nicht den Aufzug in die Spitze genommen. Der Club hat sich entwickelt, Schritt für Schritt. Mir ist das lieber, Ich gehe auch lieber über die Treppe nach Hause als mit dem Aufzug.
Die Entwicklung dauerte insgesamt ein Jahrzehnt. Auch Sie waren von 2012 bis 2016 ein Teil davon, als Sie den Club zur ersten Meisterschaft der jüngeren Geschichte führten.
Es hätte sicherlich auch damals noch weitergehen können. Aber wir hatten das Problem, dass Herr Hoeneß für eine Zeit nicht mehr da war nach unserer Meisterschaft 2014 und dass Leute die Verantwortung übernommen haben, die nicht daran interessiert waren, den Basketballclub weiterzuentwickeln. Das war ein Rückschlag, da hat sich der Basketball nicht so entwickelt, wie es vielleicht möglich gewesen wäre. Aber ich glaube trotzdem, dass ich einen Anteil an der Entwicklung hatte. Dass die Jahre damals wichtig waren. Und dass Bayern sonst heute nicht da wäre, wo es ist.
Weil Sie auch rund um das Profiteam viel angeschoben haben? James Gist etwa sagte kürzlich, mit seinen Strukturen sei Bayern den meisten Clubs in Europa schon voraus.
Ja, ich kenne ja zum Beispiel auch den FC Barcelona ganz gut. Basketball hängt dort am Fußballverein, der Fußballverein regelt Basketball und finanziert Basketball. Hier in München regelt sich der Basketball selbst. Das kannst du nicht vergleichen. Das hat Gist sehr gut erkannt.
Wie bewerten Sie Ihren Nachfolger und Kollegen Andrea Trinchieri? Wie viel hängt an seiner Person?
Andrea ist ein sehr guter Trainer, ich kenne ihn schon lange. Er lebt für den Basketball, er lebt Basketball. So muss das sein. Aber um ihn wirklich zu bewerten, um zu sehen, was er mit Bayern bewirkt, dafür ist ein Jahr zu wenig. Dafür müsste ich ihn noch mindestens ein bis zwei weitere Jahre sehen.
Im Moment zögert er allerdings, er hat noch keinen Vertrag. Können Sie das nachvollziehen?
Das ist eine persönliche Entscheidung. Am Trainerjob hängt so viel, du kannst das nur machen, wenn du 100 Prozent dahinter stehst. Wir werden sehen.
Sie selbst waren seit Ihrem Abschied aus Barcelona im vergangenen Frühjahr nicht mehr als Trainer aktiv.
Das hat vor allem mit der Pandemie zu tun. Ich wollte in der Zeit nicht als Trainer arbeiten. Deshalb waren wir die meiste Zeit hier in München. Was nicht heißt, dass ich nicht aktiv war. Ich habe Coach Clinics gemacht. Und ich schreibe ein Buch. Damit habe ich schon vor längerer Zeit angefangen, aber ich habe nicht die Zeit gehabt. Jetzt mache ich es fertig. In den nächsten drei Monaten. Danach bin ich wieder für alles offen.
Ist das Buch Ihre Biografie?
Es ist vor allem ein Buch über den Basketball. Aber es ist auch ein Buch über mich, mit vielen Anekdoten . Im Herbst wird es in Serbien erscheinen und dann auch bald in Deutschland.
Ein Buch ist bei vielen der Abschluss einer Karriere. Bei Ihnen offenbar nicht –lässt Sie der Basketball nicht los?
Basketball ist nicht mein Leben, Basketball ist der Sinn meines Lebens. Und wissen Sie – meine Frau Vera fragt jetzt schon: „Wann gehst du endlich wieder?“ Sie ist es nicht gewöhnt, dass ich so viel zuhause bin. Soll ich da widersprechen? Und vor Kurzem war ich beim Arzt und habe mich durchchecken lassen. Er hat gesagt: Ich wäre froh, wenn ich so ein Herz hätte wie Sie. Sie sehen, ich muss eigentlich wieder arbeiten (lacht).
Was kann noch kommen? Die Euroleague führt Sie in einem Buch unter den führenden Köpfen des europäischen Basketballs, der Weltverband FIBA nahm Sie im März in die Hall of Fame auf …
Ja, das stimmt. Ich bin übrigens auch der erste Deutsche in der Hall of Fame.
… Dirk Nowitzki dürfte noch kommen …
… Mit Sicherheit, aber Dirk muss noch warten (lacht). Aber das ist eine große Ehre und eine tolle Bestätigung für mich. Das freut mich sehr. Im Juni ist die offizielle Zeremonie. Und dann? Wir werden sehen.
Interview: Patrick Reichelt