München – Ein letztes Mal nahm Vladimir Lucic dann doch noch einmal alle Kräfte zusammen. Er tat es gerne, weil Momente wie dieser zu den süßesten in einem Sportlerleben gehören. Und so rammte er den Pokal gemeinsam mit dem noch verletzten Kapitän Nihad Djedovic in Richtung Hallendach. Und man konnte sie fast schon sehen, die Felsbrocken, die ihm und seinen Basketballern des FC Bayern da von den Schultern gefallen waren.
Die Befürchtung war real gewesen, dass die famose Saison in Europa national einen kleinen Makel bekommen könnte. Doch gleich im ersten Versuch langten die Bayern zu. Durch ein heiß erkämpftes 85:79 (41:39) über Titelverteidiger Alba Berlin holten sie sich schon einmal den Pokal, zum dritten Mal nach 1968 und 2018. „Es sind diese Momente, die all die harte Arbeit der letzten Monate einfach gut machen“, schwärmte Lucic bei „MagentaSport“.
Und es sind Momente, die Wind bringen dürften, viel Rückenwind für die Dinge, die da noch kommen werden. Bereits am Mittwoch (20.30 Uhr) steht im Audi Dome das erste Viertelfinale gegen die Merlins Crailsheim an. Und für Lucic, der erwartungsgemäß zum wertvollsten Spieler des Pokal-Wochenendes gekürt wurde, gibt es nur noch eine Devise: „Wir haben einen Titel, jetzt wollen wir auch noch den Zweiten.“
Und Trainer Andrea Trinchieri, der sich auf eine Feiernacht mit „Zigarre und ein oder zwei guten Flaschen Wein“, einstimmte, verneigte sich ein weiteres Mal tief vor seinem Team. „Wir sind nicht perfekt im Basketball“, sagte er, „aber wir sind perfekt als Gruppe. Das war eine unglaubliche Leistung.“
Ja, sie sind sportlich definitiv nicht komplett, Trinchieris Münchner. Sie sind mehr Basketball-Arbeiter als -Künstler. Wie so viele Momente während der Saison offenbarte dies auch das Top-4 im Audi Dome. Ob im doppelten Verlängerungsdrama (104:102) im Halbfinale gegen ratiopharm Ulm oder auch gerade zu Beginn des Finales – es gab viele Momente, in denen den Bayern die ersehnte Trophäe aus den Händen zu rutschen drohte. Einen Ulmer Protest inklusive. Die so hauchdünn geschlagenen Schwaben hatten ihn eingelegt, weil die Unparteiischen versäumt hatten, den Münchner Spielmacher Wade Baldwin nach dessen fünften Foul kurz vor Ende der zweiten Verlängerung vom Feld zu schicken. Bis tief in die Nacht tagte die Jury der BBL, dann kam die Erkenntnis: Das Regelwerk sieht für diesen Fall keine Strafe vor. Doch: Es passte zu einem unglücklichen Auftritt des US-Regisseurs am Samstag (u.a. 7 Ballverluste).
Aber es passte auch, dass die Münchner trotzdem durchkamen. Gegen Ulm hatte Lucic (24 Punkte), der heftig angeschlagen mehr als 39 Minuten schuftete, im entscheidenden Moment die Verantwortung geschultert. Im Finale stemmte sich Paul Zipser im ersten Viertel gegen die Berliner Angriffswucht. Der Nationalspieler hatte am Abend, mit sich selbst heftig unzufrieden, lange Gespräche mit dem Trainer und mit Sportchef Daniele Baiesi geführt und sich damit „das richtige mindset“ verschafft. Als Berlin mit 29:17 davonrauschte, hielt Zipser die Münchner Karten mit zehn Punkten noch intakt. Erst dann übernahmen die Bayern über eine harte Defensive das Kommando. „Das ist etwas, was uns auszeichnet. Wenn einer einen schlechten Tag hat, dann springt immer irgendwer ein“, sagte Zipser, „dass wir uns jetzt so belohnen, ist einfach geil.“
Zumal man dem großen Rivalen Alba eine ziemlich harte Nuss zum Knabbern mit auf den Weg zurück in die Hauptstadt gab. Beide Teams könnten sich ja in Bälde in einer Finalserie wiedersehen. Doch daran mochte Berlins Kapitän Niels Giffey gestern Nachmittag so gar nicht denken, noch nicht einmal an die Meisterschafts-Playoffs überhaupt, in denen die Albatrosse in Runde eins die Hamburg Towers vorgesetzt bekommen: „Ich muss erst einmal dieses Spiel hier schlucken.“