Gescheitert am „Sanierungsfall“ DFB

von Redaktion

Fritz Keller verabschiedet sich als Präsident mit einer Erklärung und Druck auf die Gegenspieler

VON GÜNTER KLEIN

München – Der Anfang war, wie Fritz Keller am 27. September 2019 im Frankfurter Kongresszentrum sich vom Protokoll löste. Er wollte sich nicht steif hinters Rednerpult stellen, sondern locker wie ein Showmaster über die Bühne im Saal, der lustigerweise den Namen „Harmonie“ trägt, schlendern. Eine Hand hatte er in der Hosentasche versenkt, als er erzählte: „Wir haben uns kürzlich ein Wohnmobil zugelegt. Meine Frau und ich wollten reisen.“ Dafür werde aber keine Zeit sein, denn er habe den größten Sportfachverband der Welt zu retten.

Das Ende der Keller-Geschichte: am 17. Mai 2021 Rücktritt mit einer umfangreichen „persönlichen Erklärung“, die die DFB-Direktion Kommunikation verschickte. Die hatte zuletzt Stellungnahmen von verschiedensten Seiten über ihren Verteiler gehen lassen müssen: Die Empörung von (Noch-)Generalsekretär Friedrich Curtius, nachdem Keller den ersten Vizepräsidenten Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte, der Vertrauensentzug für Keller durch die Konferenz der Regional- und Landesverbände – der DFB dokumentierte seine Streitigkeiten für die Nachwelt.

Für den gestrigen Montag hatte Fritz Keller (64) seinen Rücktritt angekündigt. Und er vollzog ihn. Er schrieb: „Ich übernehme damit persönlich Verantwortung für meine Entgleisung in der Präsidiumssitzung vom 23. April 2021, die trauriger Tiefpunkt der desolaten Führungssituation des DFB bleiben soll.“

Der Freiburger muss einräumen, gescheitert zu sein am „Sanierungsfall“ DFB. Dass er all die „Baustellen“, die er vor eineinhalb Jahren gesehen hatte, nicht schließen konnte: „Spätfolgen des Sommermärchens mit Strafverfahren und Ansehensverlust“, die Zerrissenheit des Verbandes zwischen Profis und Amateuren, die „internen Machtkämpfe um die Sicherung von Vorteilen sowie um das ,Arbeiten’ am eigenen Bild in der Öffentlichkeit“. Corona sei noch obendrauf gekommen.

Die Namen seiner Gegenspieler nennt Keller im Abschluss-Schreiben nicht. Aber es ist klar, wen er meint: Curtius, der DFB-Gelder aufgewendet hatte, damit sein Wikipedia-Eintrag gepflegt wurde, Rainer Koch, dem er „Abschluss und Durchführung eines unschlüssigen Vertrages mit einer Kommunikationsagentur“ anlastet. Der Medienberater Kurt Diekmann verdiente sich eine goldene Nase – unklar, wofür. Rainer Koch versicherte im ZDF-Sportstudio, Diekmann habe weitaus mehr Profit gebracht für den gesamten DFB, als er gekostet habe. Koch hat, was seine Zukunft betrifft, zwar einen Rückzug in Aussicht gestellt (zumindest auf sein einflussreiches Amt als erster DFB-Vizepräsident bezogen), doch bis zum nächsten Bundestag, der Anfang 2022 ein neues Präsidium wählen soll, wird er zusammen mit Ligen-Vertreter Peter Peters den Verband interimistisch leiten.

Jedoch wird – und das wollte Fritz Keller mit seiner Abschlusserklärung sicher auch erreichen – der Druck auf den unpopulären Koch weiter wachsen. Denn Keller wirft seinen Gegenspielern, zu denen auch noch Schatzmeister Stephan Osnabrügge gehört, einige Sätze hin. Er fordert eine „eine personelle Erneuerung der Spitze des DFB, ohne die ein glaubwürdiger Neuanfang nicht möglich ist“. Der DFB müsse „seine Unabhängigkeit gegenüber Personen, die als Beschuldigte in unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt werden, bewahren“. Erforderlich sei „eine komplette Professionalisierung in der Führungsspitze und schnelle Einführung völlig neuer Strukturen“. Ein Präsident dürfe nicht so blockiert werden, wie es ihm widerfuhr: „Die Durchsetzung von Transparenz etwa musste ich mir als Präsident rechtlich erkämpfen wie auch das Recht auf Information und Auskunftserteilung, obwohl es um Belange des DFB, um ideell wie finanziell wichtige Angelegenheiten ging.“ Er traf auf „Widerstände und Mauern“.

Was für Fritz Keller bleibt: Die Schmach, der erste DFB-Präsident gewesen zu sein, der sich vor dem verbandsinternen Sportgericht verantworten musste. Ein Urteil steht noch aus. Er ist ihm aber zuvorgekommen.

Und jetzt? Ist er im Fußball nichts mehr. Sondern wieder Winzer, Gastronom, Privatier. Mit Wohnmobil. Er wird reisen können.

Artikel 1 von 11