„Buchmanns Grundausdauer ist sehr, sehr gut“

von Redaktion

Bora-Manager Ralph Denk hofft, dass sein Kapitän in der schweren dritten Giro-Woche noch unter die Top 5 fährt

München – Der Giro d’Italia legte gestern nach zehn Etappen einen ersten Ruhetag ein. Zur Halbzeit unterhielten wir uns mit Ralph Denk, Manager des Raublinger Teams Bora-hansgrohe, über Emanuel Buchmanns Chancen, Peter Sagans neuen Kurzhaar-Schnitt und die tückischen Sandstraßen, die demnächst zu bewältigen sind.

Ralph Denk, der Etappensieg von Peter Sagan kam sicher wie gerufen. Da entspannt es sich am Ruhetag bestimmt leichter …

Ja, absolut. Wir haben ja in der ersten Woche versucht, eine Etappe zu gewinnen, damit Druck von der Mannschaft genommen wird. Aber wir haben damit bis zum zehnten Tag warten müssen. Unser Team hat dabei einen Bombenjob gemacht – Peter hat es vollendet. Und auch noch das Trikot des besten Sprinters geholt. So gesehen schauen wir zur Giro-Halbzeit sehr zufrieden zurück.

Was bedeutet denn der Etappensieg für Sagan persönlich? Erfolge waren ja zuletzt auch für ihn, den dreifachen Weltmeister, keine Selbstverständlichkeit mehr.

Nach seiner Null-Nummer im letzten Jahr bei der Tour de France, wo er ohne Etappensieg geblieben war, freue ich mich riesig für ihn, dass es nun beim Giro geklappt hat. Man hat dabei auch gesehen, was man mit einer starken Mannschaft bewegen kann. Den Jungs muss man wirklich ein Kompliment machen, die haben das mustergültig vorbereitet.

Man erkennt Peter Sagen rein äußerlich kaum noch. Er hat seine langen Haare abgeschnitten, ebenso den Bart – was hat ihn dazu bewogen?

(lacht) Ich würde sagen: Das ist sein neuer Angriffsmodus. Ich kann es nur vermuten, ich habe ihn nicht gefragt. Aber es stimmt schon: Er schaut jetzt ungewohnt seriös aus.

Seiner Form ist es jedenfalls nicht abträglich. Mit seinem Etappensieg dürfte er gute Argumente gesammelt haben für eine Tour-de-France-Nominierung. Sein interner Konkurrent ist Pascal Ackermann, der zweite Sprintspezialist im Team, er dürfte es schwer haben, an Sagan vorbeizukommen.

Der derzeitige Stand ist so: Peter hat in dieser Saison insgesamt drei Rennen gewonnen, Pascal noch keines; bei ihm lief es noch nicht so rund. Aber es ist noch Zeit bis nach der Tour de Suisse, sich für die Frankreich-Rundfahrt zu empfehlen. Dann werden wir entscheiden, ob wir mit beiden zur Tour fahren oder nur mit einem Sprinter. Es sind viele Optionen möglich. Es gibt eine Longlist mit 13 Rennfahrern, da steht sowohl der Name Sagan darauf als auch Ackermann.

Der Giro – wie auch die ganze bisherige Saison – ist ja im Hinblick auf die Corona-Krise ziemlich reibungslos verlaufen. Es gab bisher keine positiven Tests, keiner musste in Quarantäne. Gibt es eine Erklärung dafür?

Die Veranstalter lernen von Rennen zu Rennen. Die Hygiene-Konzepte sind sehr strikt, alle halten sich innerhalb der Team-Bubble von 30 Personen auf. Da darf von außen keiner rein. Nicht einmal Ehefrauen. Das alles scheint gut zu funktionieren. Wir sind auch froh darüber, dass wir unseren Beruf ohne größere Probleme ausüben können.

Die sportlich auffälligste Rolle spielte bisher Egan Bernal, der Mann in Rosa. Er scheint fast so stark zu sein wie bei seinem Tour-sieg 2019 …

Speziell sein Sieg auf der neunten Etappe war sehr beeindruckend. Er hat daraufhin auch seine Watt-Werte online gestellt. Und diese Werte sind schon sehr imposant für einen schmächtigen Kolumbianer. Er ist für mich auch der große Favorit. Aber der Kampf um den Gesamtsieg ist für mich so offen wie schon lange nicht mehr. Unser Emanuel Buchmann liegt auf Rang 15 nur 1:47 Minuten zurück. Da ist noch einiges drin. Auch weil die dritte Giro-Woche enorm schwer ist. Im vergangenen Jahr war es sogar so, dass der spätere Giro-Sieger Tao Geoghegan Hart nach zwei Wochen drei Minuten Rückstand hatte. Auf jeden Fall werden da die Karten neu gemischt – und wir hoffen, dass wir da mit Emanuel ein gutes Blatt haben.

Wie stark schätzen Sie ihn denn derzeit ein?

Wir wissen, dass bei Emanuel das Höhentraining sehr gut funktioniert. Deswegen haben wir das auch total ausgereizt. Bis zwei, drei Tage vor dem Giro-Start war er in der Sierra Nevada in der Höhe. Er hat in jedem Fall eine tolle Grundform. Der Nachteil des Höhentrainings ist, dass man die drei Wochen vor dem Giro keine Rennen fährt. Und wenn man dann so ein Fahrertyp wie Emanuel ist, der von Haus aus nicht so explosiv ist, dann ist es erklärbar, dass er bisher bei den harten Attacken an den kleineren Steigungen nicht mit dem Besten mithalten konnte. Aber seine Grundausdauer ist sehr, sehr gut. Und das lässt uns hoffen. Speziell für die schwere dritte Woche.

Was ist noch drin? Kann er als erster Deutscher in der Giro-Geschichte aufs Podium kommen?

Mit dem Podium wird es dünn, weil noch so viele gute Fahrer im Rennen sind. Aber die Top 5 sind noch im Bereich des Machbaren. Allerdings müssen wir erst noch die spektakuläre Sandstraßen-Etappe Strade Bianchi heil überstehen. Hier kann man den Giro nicht gewinnen – aber wenn man Pech und einen Reifenschaden in einem ungünstigen Moment hat, dann kann man ihn verlieren. Da habe ich schon ein bisschen Bauchschmerzen. Da hoffe ich, dass wir das Glück des Tüchtigen auf unserer Seite haben.

Interview: Armin Gibis

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