Aufgeben? Kam für Marc Roca noch nie infrage. In seinem ersten Jahr beim FC Bayern kommt der 24-jährige Spanier bislang auf 519 Einsatzminuten. Der letztjährige Zugang von Espanyol erklärt, dass ein vorzeitiger Abschied für ihn kein Thema ist, welche Deutschvokabel ihm zu schaffen macht und warum er die Bayern rocken wird.
Señor Roca, fällt Ihnen in Grassau schon die Decke auf den Kopf?
Keinesfalls. Wir haben hier PlayStation, Tischtennisplatte, Basketballkorb und können sogar Golf spielen. Langweilig wird uns nicht. Sollen wir das Interview eigentlich auf Deutsch führen?
Gerne.
(lacht) No, no. Nur ein Scherz. Auch wenn ich neulich mein erstes Interview auf Deutsch gegeben habe – auf Spanisch fühle ich mich schon noch etwas sicherer.
Es geht also voran mit dem Deutschlernen.
Langsam, aber sicher: ja. Auch wenn mir noch viel Vokabular fehlt und die Syntax von Satz zu Satz variiert, so verstehe ich dank des regelmäßigen Unterrichts alles schon sehr gut. Ich mag vor allem das Wort Deckungsschatten – traumhaft lang! (lacht)
Wann kommt Marc Roca denn bei Bayern München aus dem Deckungsschatten?
Das erste Jahr fernab von zu Hause ist immer schwer, vor allem bei einem so großen Club wie Bayern. Natürlich hätte ich gerne mehr Minuten auf dem Platz gehabt, dennoch habe ich den Eindruck, dass ich mich hier von Tag zu Tag verbessere und zu einem reiferen Spieler werde. Ich sehe mich auf dem richtigen Weg. Alles wird, sofern man geduldig ist.
Auch Bayern selbst war geduldig, schließlich klappte es erst beim zweiten Anlauf mit dem Wechsel.
Ich war schon nach der U21-EM 2019 optimistisch, dass es zum Wechsel kommen könnte, aber Espanyol hatte eine zu hohe Ablöse aufgerufen, und Bayern lehnte ab. Vergangenen Sommer gab es erneut die Chance, und ich wollte sie unbedingt ergreifen. So einen Zug konnte ich einfach nicht abfahren lassen. Man sollte stets groß denken. Wie es dann schlussendlich läuft, lässt sich im Vorhinein nicht sagen. Durch harte Arbeit, Opferbereitschaft und Selbstvertrauen lässt sich in diesem Leben alles erreichen.
Welche Ziele haben Sie sich für Ihr zweites Jahr bei Bayern gesetzt?
Es mag nach Fußballer-Klischee klingen, aber ich denke tatsächlich von Tag zu Tag. Ich will mir bewusst keine langfristigen Ziele stecken, vor allem dann nicht, wenn diese nicht zu einhundert Prozent von einem selbst abhängen. Ich will kleine, aber bestimmte Schritte gehen, mein Deutsch verbessern, ein besserer Spieler werden. Aber klar: Jeder Spieler will spielen, sich wichtig fühlen. Nichtsdestotrotz spüre ich das Vertrauen des Klubs in meine Fähigkeiten. Nur darauf kommt es an.
Also bleiben Sie.
Ich bin selbstbewusst. Bei einem Club wie Bayern München zu spielen ist der Traum eines jeden Spielers. Jetzt aufzugeben, würde mir nicht gerecht.
Von Espanyol zu Bayern –was bedeutet so ein Wechsel für einen 23-Jährigen?
Es ist der Traum eines jeden Spielers. Mir war klar, dass die Konkurrenz hier nicht klein sein würde und ich anfangs vielleicht nicht so viel spielen würde. Das tägliche Training mit den Besten der Welt hat mich aber auch weitergebracht. Ich sehe jede Einheit als eine Art Unterrichtsstunde. Bei diesen Spielern handelt es sich immerhin nicht nur um die besten der Welt, sondern auch um tolle Menschen, die mich von Anfang an sehr unterstützt haben.
Gibt es Mitspieler, bei denen Sie besonders genau hinsehen?
Joshua Kimmich sehe ich als Vorbild. Seine Mentalität, sein Charakter und seine tagtägliche Arbeit zeigen, was für ein großartiger Leader er ist. Wir konkurrieren zwar um dieselbe Position, dennoch hat er mich von Tag eins an unterstützt und respektiert. Dafür schätze ich ihn sehr. Eines Tages wäre ich gerne so ein Anführer wie er.
Ihr größtes Vorbild?
Xabi Alonso. Als Spieler hat er sämtliche Aspekte des Spiels, sei es offensiv oder defensiv, in Perfektion interpretiert. Ich würde mich schon damit abfinden, wenn ich eines Tages auch nur im Ansatz so gut spielen könnte wie er.
Haben Sie sich bei Ihrem Leipziger Landsmann Dani Olmo schon über Bayerns neuen Trainer Nagelsmann erkundigt?
Ein wenig, ja. Nagelsmann hat bereits in jungen Jahren viel erreicht, das spricht für ihn. Ich habe den Eindruck, dass er ein ähnlich toller Leader sein wird wie Hansi Flick. Ihm ist das Positionsspiel wichtig, was einem Spieler wie mir nur entgegenkommen kann. Ich verspüre große Lust, ihn kennenzulernen, seine Philosophie zu verinnerlichen und – hoffentlich – noch mehr Minuten auf dem Platz zu haben. Wenn die Saison vorbei ist, schließe ich mich dann noch mal mit Olmo kurz, damit er mir noch mehr verrät.
Sie beide verstehen sich?
Und wie! In der U 21 war er mein Zimmerkollege. Er ist wie ein Bruder für mich.
Dann holen Sie ihn doch zu Bayern!
Also ich hätte nichts dagegen. (lacht) Aber das liegt nicht an mir. Er ist eine Mischung aus Zehner und Flügelspieler. Er strahlt Torgefahr aus, ist beidfüßig, kann ein Spiel schnell machen – er hat einfach alles. Ein ungemein vielseitiger Spieler. Wir sprechen oft und ich kann nur sagen, dass es mich ungemein freut, dass es aktuell so toll läuft bei ihm.
Sie tragen bei Bayern die Rückennummer 22, weil die 21 nicht frei war. Oder?
So ist es. Ich wollte sie, aber Lucas (Hernandez, d. Red.) hatte sie bereits.
Erzählen Sie uns doch von Ihrer besonderen Verbindung zu besagter Nummer.
Nach dem tragischen Tod von Daniel Jarque (Ex-Spieler und -Kapitän Espanyols, der 2009 im Alter von 26 Jahren unerwartet an Herzversagen starb) war ich der erste Spieler, der die 21 wieder tragen durfte. Sie wurde zunächst zurückgezogen, da das Kaderlimit jedoch erreicht war, musste sie wieder vergeben werden. Dass ich sie als Eigengewächs bekam, empfand ich als eine unglaubliche Ehre. Ich habe stets versucht, auf der Höhe dieser legendären Rückennummer zu sein, da Dani eine ungemeine Bedeutung für unseren Klub hat. Dass mir diese Ehre zuteil wurde, werde ich nie vergessen.
Wenn Lucas Hernández also mal eine andere Rückennummer haben will . . .
. . . schnappe ich zu! Bei der U 21 durfte ich auch die 21 tragen. Diese Nummer hat eine sehr große Bedeutung für mich. Dank ihr konnte ich Dani stets nah sein.
Interview: José Carlos Menzel López