Alfons Hörmann ist bekanntlich ein Mann, dessen wertkonservative Grundhaltung und kantige Art bisweilen in extremes Leistungsdenken umschlägt. Das fängt bei ihm selbst an. Er gilt als ausgesprochen akribischer, ruheloser Arbeiter, als ein Macher, der gerne auch ein gewaltiges Tagwerk auf sich nimmt. Mitarbeiter aus seinem näheren Umfeld erzählen, dass er pro Tag maximal fünf Stunden schlafe. Gut vorstellbar, dass der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auch an seine Angestellten hohe Ansprüche stellt. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, und wahrscheinlich wünscht sich manch einer einen milderen Chef. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Hörmann ungeeignet wäre als Führungskraft. Die Frage ist nur, ob an den aus DOSB-Mitarbeiterkreisen lancierten anonymen Vorwürfe, die vergangene Woche öffentlich wurden, etwas dran ist. Der DOSB-Chef baue „eine Kultur der Angst“ auf, hieß es da. So eine Anschuldigung bedarf natürlich der Aufklärung. Der aktuelle Stand in dieser Angelegenheit: Konkrete Anhaltspunkte sind bisher nicht bekannt.
Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet IOC-Präsident Thomas Bach, sein Vorgänger im höchsten deutschen Funktionärsamt, nun mit einem Schreiben aufwartete, das Hörmann mindestens als herbe Brüskierung auffassen muss. Er mache sich „große Sorgen um die Glaubwürdigkeit und Funktionsfähigkeit des DOSB“, ließ Bach wissen – und schürte damit die Zweifel an seinem Landsmann. Nahe liegt der Verdacht, dass der IOC-Chef sich für die massiven Unstimmigkeiten rächte, die im Zusammenhang mit der verkorksten Olympia-Bewerbung von Rhein und Ruhr entstanden. Bekanntlich favorisierte das IOC überraschend frühzeitig den Kandidaten Brisbane. Hörmann hatte die Schuld für das Scheitern von sich gewiesen und das IOC der Falschaussage bezichtigt. Seither herrscht Eiszeit zwischen ihm und Bach.
Nach der Selbstzerfleischung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) steht jedenfalls spätestens seit Bachs Giftpfeilen fest, dass jetzt auch der DOSB seine Führungskrise hat. Wie weit sie gehen wird, hängt wohl von Hörmanns Reaktion ab. Bisher schwieg er. Aber wie man den wehrhaften 60-Jährigen kennt, wird er die Attacke des früheren Fechters Bach nicht auf sich sitzen lassen. Es findet sich eine Menge Sprengkraft und Schadenspotenzial in dieser Fehde. Und es ist zu befürchten, dass es am Ende nur Verlierer geben wird.
Armin.Gibis@ovb.net