Seine letzte Nominierung

von Redaktion

Joachim Löw präsentiert den EM-Kader – ohne Pomp, Symbolik und Marco Reus

VON GÜNTER KLEIN

München – Für Joachim Löw wird es die vierte und letzte Europameisterschaft sein – doch davor steht für den Bundestrainer die vierte und letzte EM-Nominierung an. Es passt zu seiner still ausklingenden Amtszeit: Die Präsentation wird ohne jeglichen Pomp und – natürlich der Corona-Pandemie geschuldet – nur virtuell vonstatten gehen. Es werden 26 Namen verlesen, und Löw wird auf Nachfrage zu den Spielern etwas sagen.

Seine erste Nominierung 2008 war das größte Berufungsspektakel in der Geschichte des DFB. Um einen Bezug zu den Gastgeberländern Schweiz und Österreich (hohe Berge!) herzustellen, begab man sich mit Seil- und Zahnradbahn auf die Zugspitze, wo dann – Werbung muss sein beim DFB – ein paar Mercedesse über den Gletscher zum Platt hinab fuhren. Die Journalisten wurden zu einem Quiz eingeladen, wie viele Spieler Löw nominieren würde. Mit 2008 bürgerte es sich nämlich ein, erst einmal einen größeren Kreis als die erlaubten 23 zu benennen. die finale Kaderentscheidung wurde erst im Trainingslager getroffen. Auch 2012 in einem Autohaus in Rastatt und 2016 in Berlin in der französischen Botschaft mit Blick aufs Brandenburger Tor wurden 26 und 27 Namen verkündet.

Zur EM 2020 in der Corona-Ausgabe 2021 darf Joachim Löw 26 statt 23 Spieler mitnehmen, die UEFA reagiert dadurch auf die besonderen Umstände. Wahrscheinlich wird der Bundestrainer von vornherein diesen 26er-Kreis festlegen. Sollte sich feststellen, dass einer der Wackelkandidaten ausfällt, kann er bis zum 1. Juni auch noch andere Spieler melden. Die UEFA gestattet Kaderumgestaltungen sogar bis zum ersten EM-Spiel – allerdings nur im Fall einer schweren Verletzung oder einer Covid-19-Infektion. Sie wird in den Statuten des pankontinentalen Turniers behandelt wie ein Bänderriss.

Corona ist auch tatsächlich schon ein Thema: Toni Kroos hat es erwischt. Sonst verpasste der Mittelfeldstar den Beginn des Trainingslagers immer, weil er mit Real Madrid noch Champions League-Finale zu spielen hatte, nun aber ist er der mittlerweile zehnte Infektionsfall seiner Mannschaft. Wenn sich am 28. Mai der EM-Kader in Seefeld/Tirol trifft, wird es zwei Wochen her sein, dass er positiv getestet wurde. Es lässt sich noch nicht absehen, in welcher Verfassung er sein wird.

Die feierliche Kaderbekanntgabe ist grundsätzlich gedacht als Signal dafür, dass Deutschland ab da freudige Turniererwartung hegen dürfe. Das Interesse der Fußballkonsumenten, drastisch gesunken durch das 0:6 in Spanien und das 1:2 gegen Nordmazedonien, könnte tatsächlich hochgefahren werden heute Mittag, weil man wissen will: Korrigiert Löw seine Entscheidungen vom Frühjahr 2019, als er drei Weltmeistern die Tür wies (diese aber danach einen Leistungsaufschwung erlebten)?

Also: Die Rückkehr von Thomas Müller ist klar. Jerome Boateng wird nicht zur EM eingeladen. Löw wird die Entscheidung der Bayern, dem Innenverteidiger keinen Vertrag mehr anzubieten, nicht konterkarieren. Dritter Verbannter war Mats Hummels. Im Abwehrzentrum herrscht Notstand, die Bundesliga-Leistungen des Dortmunders stimmten – ein Ja zu ihm. Ein Nein für und bei Marco Reus, der noch kein offizieller Ex-Nationalspieler ist, aber gestern Abend via Instagram verriet, er habe „nach einer komplizierten und kräftezehrenden Saison“ gemeinsam mit Löw seinen Verzicht beschlossen.

Andere Namen von früher (Mario Götze) werden nicht auftauchen. Und auch kein Unbekannter wie Shkodran Mustafi zur WM 2014. Es wird eine ruhige Veranstaltung werden.

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