BRIEFWECHSEL IN UNMENSCHLICHEN ZEITEN
Wer hat den FC Bayern erfunden? Manch einer würde auf diese Frage wohl „Uli Hoeneß“ antworten. Doch weit vor Uli Hoeneß hat der langjährige Präsident Kurt Landauer bereits deutsche Fußball-Geschichte geschrieben. Unter seiner Präsidentschaft gewann der FC Bayern 1932 seine erste Deutsche Meisterschaft.
Doch es sind die Jahre, in denen die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte geschrieben werden: Keine sechs Wochen nachdem Adolf Hitler 1933 Reichskanzler geworden war, musste Landauer als Jude von seinem Vereinsposten zurücktreten. Er verlor auch seinen Beruf als Anzeigenvermarkter bei den „Münchner Neuesten Nachrichten“. 1938 folgte die Deportation nach Dachau. Später kann er in die Schweiz fliehen. Vier seiner sechs Geschwister kommen in der Schoah um. Doch nach dem Krieg kehrt der Kaufmann nach München zurück.
Auch zum FC Bayern. Hoeneß sagte einmal über Landauer: „Er hat mit viel Zivilcourage in den schwersten Zeiten dieses Landes seinen Mann gestanden und ist ein Vorbild für uns alle.“
Von Kurt Landauers Privatleben war bislang allerdings nur wenig bekannt. Mehr als 70 Jahre nach seiner Rückkehr in die Landeshauptstadt veröffentlicht das Jüdische Museum die Briefe des langjährigen FC-Bayern-Präsidenten im Suhrkamp/Insel-Verlag (28 Euro).
Er war seit 1927 mit Maria Baumann, der Haushälterin seiner Familie, liiert. Ein Verhältnis, das lange geheim blieb. Geheim bleiben musste, um die Sicherheit beider zu wahren. Trotz der drohenden Denunziation nach den sogenannten Nürnberger Rassengesetzen hielt Baumann als Nicht-Jüdin an der Liebesbeziehung fest. Auch während Landauers Emigration riss der Kontakt nie ab. Aus der Schweiz schrieb er der Geliebten einen langen Brief, seinen Lebensbericht, in dem er ihr Rechenschaft gibt über ihre Beziehung und sie bittet, ihn zu heiraten – auf insgesamt 77 Seiten. Berührende Zeitdokumente, die eine tiefe Liebe aus den dunkelsten Tagen Deutschlands bis in die Nachkriegszeit offenlegen.
Wo die Grausamkeiten der NS-Diktaktur im Geschichtsunterricht oder Dokumentationen meist abstrakt und schwer greifbar bleiben, wird in dem Briefwechsel klar, wie ein Lebensplan durch die Verfolgung auf den Kopf gestellt wurde. Gleichzeitig spenden die Zeilen Trost, lange bevor Nachrichten im Sekundentakt mit einem Wisch ans andere Ende Welt gelangen können: „Ein Tag, da ich Nachricht von Dir habe, ein Tag, da ein lieber Brief von Dir kommt, ist ein Festtag, ein Feiertag für mich“, schreibt Landauer aus Genf.
Als Landauer nach Kriegsende nach München zurückkehrt, findet das Paar wieder zusammen. 1955 folgt die Heirat. Ein spätes Happy End einer eigentlich chancenlosen Liebe. mük